Black Dagger 05 - Mondspur
Quietschen der Holzdielen, flink und hoch.
Sie zwang sich, die Augen zu schließen.
Eine Minute später war sie auf den Beinen und tigerte im Zimmer auf und ab. Der kostbare Teppich fühlte sich unter ihren nackten Füßen weich an. Doch nichts von ihrer edlen Umgebung erschien ihr sinnvoll, sie fühlte sich, als müsste sie umständlich übersetzen, was sie da sah. Die Normalität, die Sicherheit, die sie hier umgab, war wie eine andere Sprache, eine, die sie zu verstehen verlernt hatte. Oder war das alles ein Traum?
Die Standuhr in der Ecke schlug fünf Uhr morgens. Wie lange war sie jetzt genau frei? Wie lange war es her, seit die Brüder gekommen waren und sie aus der Unterwelt zurück an die Luft gebracht hatten? Acht Stunden?
Vielleicht, aber es fühlte sich an wie Minuten. Oder auch wie Jahre?
Das verschwommene Wesen der Zeit entsprach ihrer unscharfen Sicht, isolierte sie, ängstigte sie.
Sie zog den seidenen Morgenrock enger um sich. Das war alles falsch. Sie müsste eigentlich jubeln vor Freude. Nach Gott weiß wie vielen Wochen in diesem Rohr in der Erde mit dem Lesser über sich müsste sie vor Erleichterung weinen. Das Problem war nur, dass alles um sie herum sich falsch und bedeutungslos anfühlte, als säße sie in einem lebensgroßen Puppenhaus voller Attrappen aus Pappmaschee.
Sie blieb vor einem Fenster stehen, und ihr wurde klar, dass es nur etwas gab, nur einen einzigen Mann, der sich real anfühlte. Und sie wünschte, sie wäre bei ihm.
Zsadist musste derjenige gewesen sein, der an ihr Bett getreten war, als sie aufgewacht war. Sie hatte geträumt, sie sei zurück im Loch, zurück bei dem Lesser. Als sie die Augen aufgeschlagen hatte, hatte sie nur eine riesenhafte schwarze Gestalt über sich gebeugt erkennen können, und einen Augenblick lang war sie nicht in der Lage gewesen, die Wirklichkeit von ihrem Albtraum zu unterscheiden.
Das fiel ihr immer noch schwer.
Himmel, sie wollte jetzt zu Zsadist gehen, wollte zurück in sein Zimmer. Doch mitten in all dem Chaos nach ihrem Schrei hatte er sie nicht daran gehindert, ihn zu verlassen, oder? Vielleicht war es ihm lieber, wenn sie woanders blieb.
Bella befahl ihren Füßen weiterzugehen, und sie suchte sich eine kleine feste Route durch das Zimmer: um das Fußende des gigantischen Bettes herum, zur Chaiselongue, ein kurzer Schlenker zum Fenster und dann im großen Bogen an der hohen Kommode, der
Tür zum Flur und dem altmodischen Sekretär vorbei. Der Rückweg führte sie zum Kamin und den Bücherregalen.
Noch eine Runde. Noch eine Runde. Noch eine Runde.
Schließlich ging sie ins Badezimmer. Sie blieb nicht vor dem Spiegel stehen; wollte nicht wissen, wie ihr Gesicht aussah. Heißes Wasser war es, wonach sie verlangte. Sie wollte hundertmal duschen, tausendmal baden. Sie wollte ihre oberste Hautschicht ablegen und sich das Haar abrasieren, das der Lesser so sehr geliebt hatte, und die Nägel schneiden, die Ohren auswaschen und die Fußsohlen abschrubben.
Sie stellte die Dusche an. Als das Wasser warm war, ließ sie den Morgenmantel fallen und trat unter den Strahl. Sobald das Nass auf ihren Rücken traf, bedeckte sie sich instinktiv, ein Arm über der Brust, eine Hand vor der Scham … bis ihr bewusst wurde, dass sie sich nicht verstecken musste. Sie war allein. Niemand sah ihr zu.
Sie richtete sich wieder gerade auf und zwang ihre Hände an die Seite. Es kam ihr vor, als hätte sie seit Ewigkeiten nicht mehr ungestört duschen dürfen. Der Lesser war immer da gewesen, hatte sie angestarrt, oder noch schlimmer, ihr geholfen.
Gott sei Dank hatte er nie versucht, Sex mit ihr zu haben. Vor einer Vergewaltigung hatte sie sich anfangs am allermeisten gefürchtet. Sie hatte schreckliche Angst gehabt, er würde ihr Gewalt antun, aber dann hatte sie entdeckt, dass er impotent war. Gleich wie intensiv er sie angestarrt hatte, sein Körper hatte nicht auf sie reagiert.
Ein Schauer überlief sie, und Bella griff nach der Seife, schäumte sich die Hände ein, fuhr sich damit über die
Arme. Dann wusch sie sich den Hals, die Schultern und fuhr von dort aus abwärts …
Bella runzelte die Stirn und beugte sich nach vorn. Da war etwas auf ihrem Bauch … verblasste Kratzer. Kratzer, die … Gütige Jungfrau!. Das war doch ein D? Und daneben … ein A. Dann ein V und ein I und noch ein D.
Bella ließ die Seife fallen und bedeckte ihren Bauch mit den Händen, sank rückwärts gegen die Fliesen. Sein Name war auf ihrem Körper. In ihrer Haut. Wie
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