Black Dagger 11 - Blutlinien
zum Leben. Er konzentrierte sich auf ihre Schwächen, die durch diese emotionalen Raster sickerten, spürte ihre Unsicherheiten auf und wollte sie noch stärker verunsichern. Er war die gerissene Katze, sie die verängstigten Mäuse; er wollte mit ihnen spielen, bis ihre kleinen Köpfe von ihren schmutzigen Geheimnissen und ihren düsteren Lügen und ihren schmachvollen Sorgen bluteten.
Seine böse Seite hasste sie mit kühler Distanziertheit. Aus seiner Symphathen-Sicht sollten die Schwachen nicht das Erdreich besitzen. Sie sollten es fressen, bis sie daran erstickten. Und dann zermalmte man ihre Kadaver im Schlamm ihres Blutes, um zu seinem nächsten Opfer zu gelangen.
»Ich hasse die Stimmen in meinem Kopf«, sagte er.
Xhex sah ihn von der Seite an. Im Schein des Rücksitzes fand er ihr hartes, kluges Gesicht seltsam schön, wahrscheinlich, weil sie die Einzige war, die wirklich verstand, gegen welche Dämonen er ankämpfte. Diese Verbundenheit machte sie wunderbar.
»Es ist besser, diesen Teil von dir zu verabscheuen«, sagte sie. »Der Hass beschützt dich.«
»Dagegen anzukämpfen, langweilt mich.«
»Ich weiß. Aber würdest du es anders haben wollen?«
»Manchmal bin ich mir nicht so sicher.«
Zehn Minuten später fuhr Trez durch das Tor zu Havers Anwesen, und inzwischen kehrte die Taubheit in Rehvs Hände und Füße zurück, und seine Körpertemperatur sank deutlich. Als der Bentley hinter dem Haus vor dem Eingang zur Klinik hielt, war der Zobel ein Gottesgeschenk, und er kuschelte sich hinein. Er stieg aus dem Wagen und stellte fest, dass auch das Rot vor seinen Augen nachließ, die ganze Farbpalette der Welt wieder sichtbar wurde und seine Tiefenwahrnehmung die Gegenstände wieder in die räumliche Ordnung versetzte, an die er gewöhnt war.
»Ich bleibe draußen«, sagte Xhex aus dem Auto.
Sie ging nie mit in die Klinik. Was er nach dem, was ihr angetan worden war, mehr als gut nachvollziehen konnte.
Er stützte sich auf seinen Stock. »Wird nicht lange dauern.«
»Lass dir Zeit. Trez und ich warten hier.«
Phury kam von der Anderen Seite zurück und verpuffte sich augenblicklich ins ZeroSum. Seinen Nachschub besorgte er sich bei iAm, weil Rehv unterwegs war, dann ging er nach Hause und trabte nach oben in sein Zimmer.
Er würde schnell einen Joint rauchen, um wieder runterzukommen, bevor er an Cormias Tür klopfte und ihr mitteilte, dass es ihr freistand, ins Heiligtum zurückzukehren. Und wenn er mit ihr sprach, würde er ihr sein Wort geben, dass er sie nie als Primal aufsuchen und sie vor jeder Kritik und jedem Tadel beschützen würde.
Außerdem würde er sich dafür entschuldigen, dass er sie auf dieser Seite so aus seinem Leben ausgeschlossen hatte.
Während er auf der Bettkante saß und sein Drehpapier zur Hand nahm, übte er schon mal seine kleine Ansprache … und schweifte unversehens zu seiner Erinnerung an den vergangenen Abend ab, als sie ihn ausgezogen hatte, an ihre eleganten, blassen Hände, die seinen Gürtel geöffnet hatten, bevor die Auserwählte sich am Reißverschluss der Lederhose zu schaffen gemacht hatte. Übergangslos schossen ihm glühendheiße, wild-erotische Empfindungen in den Unterleib, und obwohl er sich die größte Mühe gab, die Fantasien fortzuschieben, so zu tun, als wäre er entspannt und locker, fühlte er sich, als stünde er in der Küche eines brennenden Hauses.
Er spürte die Hitze und hörte die Rauchmelder.
Aber – ah! – es hielt nicht lange an. Das Löschfahrzeug samt der Mannschaft mit den Handschuhen und Atemmasken traf in Form des Anblicks dieser leeren Kinderbettchen vor seinem geistigen Auge ein. Die Erinnerung daran wirkte wie eine geladene Waffe an seiner Schläfe und löschte seine Flammen problemlos.
Natürlich war auch der Zauberer schon wieder zur Stelle; er stand wieder inmitten all der Totenköpfe und zeichnete
sich schwarz vor dem grauen Himmel ab. Als du ein Kind warst, war dein Vater Tag und Nacht betrunken. Weißt du noch, wie du dich damals gefühlt hast? Sag schon, mein Freund, was für ein Papa wirst du deinem gesammelten Nachwuchs sein, wenn du pausenlos bedröhnt bist?
Phury hielt inne und dachte an die unzähligen Male, die er seinen Vater aus den Büschen im Garten gezerrt und ins Haus geschleift hatte, kurz bevor die Sonne aufging. Er war fünf gewesen, als er es zum ersten Mal tat … und hatte schreckliche Angst gehabt, den zentnerschweren Körper seines Vaters nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen zu
Weitere Kostenlose Bücher