Black Dales
ihm gehen, könnten wir die Aufmerksamkeit wieder viel zu leicht auf uns lenken.«
»Das kann nicht euer Ernst sein!« Kate konnte den plötzlichen Sinneswandel der beiden Männer nicht begreifen. Nicht nach allem, was sie für sie getan hatten. »Ihr wollt gar nichts tun? Ihr wollt einfach zusehen und…«
»Kate!« schnitt ihr Nathan in strengem Ton das Wort ab, und sie brach erschrocken ab.
Er schien ihr anzusehen, dass er sie verletzt hatte, und seine schöne Stimme wurde wieder etwas sanfter. »Nein Kate! Verstehe bitte! Es ist zu gefährlich! Die Danags lauern im Moment überall! Noch lassen sie ihn in Ruhe, aber sie werden ihn kaum einen Augenblick aus den Augen lassen. Wenn wir jetzt hinunterfahren, um ihn zu warnen, dann bringen wir uns nur wieder in Gefahr! Das Risiko können wir nicht eingehen! Wir…«
»Aber…!«
«Nein, Kate!« Nun klang seine Stimme eindeutig ein wenig verärgert.
Kate sah die beiden Männer einen Moment sprachlos an, dann schüttelte sie den Kopf und verließ mit energischen Schritten den Raum.
Oben auf ihrem Zimmer schloss sie mit einem etwas zu lauten Knall die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ein paar Sekunden vergingen, ohne dass sie sich regte. Ihr Herz hämmerte – vor Aufregung und vor Unglaube. Das konnten sie nicht tun! Sie konnten ihn nicht sterben lassen! Nicht nach all dem, was sie für sie getan hatten!
Sie schüttelte fassungslos den Kopf und fuhr sich mit den Fingern über das Gesicht. Sie hatte das Kinn noch immer trotzig nach vorne geschoben, nun aber wurde ihre Miene ausdruckslos.
Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, bekam sie Wut auf sich selbst. Ihre Aktion war vermutlich genauso unüberlegt wie kindisch gewesen – sinnlos sicherlich auch –, aber um jetzt noch einmal hinunterzugehen, dafür war sie doch zu stolz.
Langsam richtete sie sich wieder auf und schritt hinüber an eines der Fenster. Vor ihr lagen die Dales so unschuldig und ruhig da, dass Kate einige Sekunden gedankenlos hinaussah.
Sie hatte Nathan verärgert, fuhr sie sich schließlich selbst in Gedanken an, und der schrecklich strenge Blick seiner sonst so warmen Augen brannte noch immer in ihrem Gedächtnis. Nathan war sauer auf sie, und dieser Gedanke stach ihr schmerzhaft ins Herz.
Unwillkürlich stiegen ihr die Tränen in die Augen.
Warnung und Versöhnung
Kate stand in einem dunklen Wald, und obwohl es Winter war, waren die Baumkronen noch voller Laub. Aber es waren seltsame Bäume – sie waren nicht hell und grün, sondern düster und schwarz. Vielleicht lag es auch daran, dass es Nacht war und nur der Vollmond ein wenig von seinem fahlen Licht durch die Kronen auf den Boden warf.
Kate hatte sich hinter einem der rauen Stämme versteckt und streckte den Kopf gerade so weit zur Seite, dass sie mit einem Auge auf die Lichtung vor sich sehen konnte.
In der Mitte des baumlosen Platzes stand eine Art Tisch – fast wie ein Altar –, und bis auf die steinerne Oberfläche war er komplett aus dunklem Holz geschnitzt. Auf der Vorderseite waren Verzierungen angebracht, die man aus der Entfernung jedoch nicht erkennen konnte. Gut fünfzehn dunkle Gestalten standen um den Altar herum und sie alle trugen unauffällige, schwarze Kleidung, einige von ihnen hatten die Kapuzen ihrer Oberteile bis ins Gesicht gezogen.
Eine ganze Weile verharrten sie alle unbeweglich nebeneinander, bis sich aus der Finsternis des Waldes ganz allmählich ein helles Licht näherte. Bald darauf stellte es sich als Flamme einer Fackel heraus, die von einer weiteren Person in die Höhe gehalten wurde. Es waren sechs Danags, die dem Fackelführer folgten, zwei von ihnen führten einen jungen Mann zwischen sich auf den Altar zu. Seine Kleidung war zerrissen und dreckig und über seine Brust zog sich ein brauner Fleck – doch Kate weigerte sich zu glauben, dass es sein Blut war.
Das Gesicht des Mannes war nicht zu erkennen, denn er trug eine breite Augenbinde und wand sich schreiend, dass es Kate durch Mark und Bein ging. Er versuchte die Männer zu treten und sich aus dem schmerzhaften Griff zu befreien, doch die Danags lachten nur, und dass sie dabei wie gewöhnliche Menschen klangen und nicht wie irgendwelche Monster, machte die ganze Szenerie nur noch schlimmer.
Der Gefangene wurde zum Altar geführt, und sein Schreien wurde so panisch, dass Kate die Tränen in die Augen stiegen.
Es durfte nicht passieren!
Sie trat einen Schritt vor, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Und
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