Black Rose
liebte mich nicht. Oder vielleicht tat
er es doch – ich weiß es nicht. Aber wegen dem, was ich getan hatte – so wie er
glaubte, ich hätte ihn benutzt –, hasste er mich. Alle hielten Nelson für eine
Art Genie, und vielleicht war er das auch, aber Andrew Morrison beschämte ihn.
Andrew wusste, dass Nelson ihn nie am Leben lassen würde, sobald er sich erst
einmal an Bord der Black Rose befand. Und er wusste auch, dass ich eine Entscheidung
treffen musste. Und ihm war klar – schon immer klar gewesen –, welche Wahl ich
dann treffen würde. Es war die einzige Möglichkeit! Ich war eine Gefangene auf
dieser verdammten Yacht, die von einem scheußlichen Ort zum nächsten fuhr. Ich
konnte überall hinreisen, nur nicht nach Hause. Andrew sagte mir, dass ich es
schaffen und schließlich meine Freiheit erhalten könnte, weil ich nicht noch
einmal wegen der Tötung des Mannes vor Gericht gestellt werden könnte, den ich
nach dem Gerichtsurteil nicht ermordet hatte. Also tötete ich ihn, Nelson, und
rettete Andrew das Leben.«
Danielle rieb sich die Augen und versuchte zu lächeln, aber
ihre Miene drückte nicht mehr aus als Ernüchterung und Bedauern darüber, dass
sich die Dinge anders entwickelt hatten als erwartet.
»Und Morrison?«, erinnerte Kubik sie mit leiser, besorgter
Stimme. »Was ist mit ihm passiert?«
Ein schwaches, verlegenes Lächeln flackerte um ihre Lippen.
»Er wollte, dass ich Nelson töte. Das war der Grund – der
einzige Grund –, weshalb er gekommen war. In dem Moment, in dem ich abdrückte,
in dem Moment, in dem Andrew Nelson ins Meer fallen sah, sprang er.«
»Sprang? Ins Meer?«
»Wir befanden uns vor der Küste Nordafrikas. Man konnte die
Lichter an Land sehen … Ob er es schaffte, ob er da draußen ertrank … Ich weiß
es nicht. Aber er bekam, was er wollte, nicht wahr? Er bekam seine Rache. Er
machte mich zu der Mörderin, für die er mich immer gehalten hatte.«
Kubik musste sich vergewissern, dass er verstanden hatte. »Der
Prozess – als man Sie wegen Mordes an Ihrem Mann anklagte, als Morrison Ihr
Verteidiger war –, da standen Sie also in dem Wissen vor Gericht, dass Ihr Mann
gar nicht tot war?«
»Es war die einzige Möglichkeit, Nelson die Freiheit zu
erhalten und das Gefängnis zu ersparen, die einzige Möglichkeit, alles zu
schützen, was wir hatten – jeden denken zu lassen, dass er tot war.«
»Also Morrison dachte …?«
»Er hielt es alles für wahr, alles, was ich ihm erzählt
hatte, dass ich nämlich Nelson in einem Augenblick der Wut getötet hätte, wegen
der Dinge, die er mir angetan hatte. Er war nur dann der Ansicht, dass ich log,
als ich in den Zeugenstand trat und aussagte, ich hätte Nelson nicht
umgebracht, er habe Selbstmord begangen. Und als er es herausfand, als er
wusste, wie wir ihn benutzt hatten …«
Ihre Stimme verebbte, und ihre Augen füllten sich mit
Tränen. Wehmut und Sehnsucht überkamen sie, und sie wünschte, alles zurücknehmen
und wieder an dem Tag beginnen zu können, an dem sie und Morrison einander
kennen gelernt hatten: als sie mit der Black Rose die kalifornische Küste
entlangfuhren, an einem sonnendurchfluteten Nachmittag allein auf dem Pazifik.
»Er bekam, was er wollte«, sagte sie erneut, diesmal mit
einem traurigen, abwesenden Lächeln. »Nelson ist tot, und ich bin, wofür alle
mich gehalten haben: eine Frau, die ihren Mann ermordet hat und damit
durchgekommen ist.«
Kubik hatte keine weiteren Fragen mehr oder zumindest
keine, die er vor aller Ohren hätte stellen können. Kein Anwalt dieser Welt
wird gern von seinem Mandanten belogen.
Als Franklin an jenem Nachmittag mit seinem Kreuzverhör
begann, war die Stimmung im Publikum erneut umgeschlagen. Die Zuschauer
schienen nun weniger interessiert an dem, was Danielle St. James getan, als an
der Bedeutung dessen, was sie gesagt hatte. Conrad konnte es in ihren
Gesichtern lesen: Was sie vor allem beschäftigte, war die Frage, ob sie
wirklich ungestraft mit einem Mord davonkommen konnte, weil sie schon einmal
deswegen freigesprochen worden war, ob das Urteil von Geschworenen, zwölf
ehrlichen Männern und Frauen, so etwas wie eine Lizenz zum Töten werden konnte.
Über doppelte Strafverfolgung waren Romane geschrieben und Filme gedreht
worden, erfundene Geschichten. Aber das hier! Eine Frau, die von Anfang
Bescheid wusste, dass nie ein Mord passiert war, die genau gewusst hatte, dass
ihr Mann noch lebte, eine Frau, die noch nie eine Nacht im Gefängnis
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