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Black Rose

Black Rose

Titel: Black Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Black Rose
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Wie oft hat Sie schon jemand gebeten, seinen Fall zu übernehmen,
weil er unschuldig sei und nur Sie ihn retten könnten? Wie oft haben Sie diesen
Leuten geglaubt und sich in einen Zustand schierer Erschöpfung
hineingearbeitet, weil Sie wussten, dass Sie sie als Einziger vor einem Leben
im Gefängnis bewahren konnten? Und dann, nachdem Sie gewonnen haben, nachdem
die Geschworenen die Leute freigesprochen haben, geht Ihnen auf, was Sie in Wahrheit
von Anfang an wussten: dass die Leute schuldig waren und damit durchgekommen
sind, mit einem Mord, nur weil Sie ihnen geholfen haben? Benutzt, Mr. Morrison?
Ich glaube nicht. Danielle hat Ihnen gesagt, dass sie unschuldig ist, dass sie
keinen Mord begangen hat, und das war die Wahrheit. Sie hat weder mich noch
sonst jemanden ermordet. Sie haben getan, was Sie immer tun, Mr. Morrison
– wofür man Ihnen obendrein eine hübsche Stange Geld gezahlt hat.«
    Morrison veränderte seine Sitzhaltung und schlug die Beine übereinander.
Er begann, mit dem Fuß zu wippen. »Was hätten Sie getan, wenn man sie
verurteilt hätte?«
    St. James nickte und sagte: »Mit Ihnen als Anwalt war das
auszuschließen.«
    »Ich habe nicht immer gewonnen!«
    »Wenn der Mandant unschuldig war, haben Sie noch nie
verloren.«
    »Die ganze Welt hält sie für schuldig.«
    Was die ganze Welt dachte, interessierte St. James nicht im
mindesten. »Es liegt an dem, was Sie mit Geschworenen machen können, Mr. Morrison«,
erklärte er schon leicht ungeduldig. »Sie haben gewonnen, genau so wie ich es
von Ihnen erwartet habe. Die Frage, was hätte passieren können, hat mich noch
nie interessiert.«
    Er schnippte mit den Fingern, worauf wie aus dem Nichts der
Kellner auftauchte. St. James befahl, das Essen aufzutragen.
    Während der nächsten Stunde, in der ein Gang nach dem
anderen serviert wurde, sprach St. James mit einer Offenheit, die Morrison
zunächst überraschte und dann erstaunte. Es war, als hätte der
öffentlichkeitsscheue Nelson St. James, der nicht nur seinen eigenen Tod
inszeniert, sondern den Tod von mindestens drei anderen Menschen verursacht
hatte, jetzt in Morrison einen Zuhörer gefunden, dem er vertrauen konnte.
Morrison machte sich keine Illusionen darüber, was das bedeutete. Von dem
Augenblick an, an dem er an Bord gekommen war, hatte er gewusst, dass St. James
ihn unmöglich am Leben lassen würde.
    St. James sprach in einem leisen, fast leiernden Tonfall
über seine frühen Jahre, in denen er gerade anfing, ein junger Mann aus dem
Mittelwesten, der in New York sein Glück machen wollte. Morrison nahm sich
etwas von der Platte mit gegrilltem Schwertfisch und hörte aufmerksam zu.
    »Ich habe Amerika früher geliebt, heute tue ich das nicht
mehr. Meine Einstellung änderte sich, als ich anfing, Geld zu machen«, sagte
St, James, schob seinen Teller beiseite und lehnte sich zurück. Er begann, sich
den linken Arm direkt über dem Ellbogen zu reiben.
    »Arthritis. In der Schulter. Tut fast nicht mehr weh, wenn
ich nicht daran denke.«
    Er sah Morrison an. »Nichts tut wirklich weh, solange man
den Schmerz nicht zulässt … Als ich anfing, Geld zu verdienen«, wiederholte er
dann mit langsamer Präzision, »spielte es keine Rolle, wie man es anstellte – wichtig
war nur, dass man es hatte und immer mehr machte. In der Wall Street wurde mir
sehr schnell bewusst, dass Geld der einzige Maßstab ist und sich nur Dummköpfe
um die Einhaltung irgendwelcher Vorschriften Gedanken machen. Diese Leute
manipulierten die Märkte, machten Milliarden dabei und hielten sich für schlaue
Investoren und nicht für Diebe. Ich erkannte, was aus Amerika geworden war – ein
System organisierten Diebstahls.« St. James beugte sich vor. Seine Augen
sprühten bei der Erinnerung an das Wissen, das er mit dem Verlust seiner Illusionen
erkauft hatte. »Das war der Moment, in dem ich mich entschloss, sie in ihrem
eigenen Spiel zu schlagen. Und ich wusste, dass ich es konnte, weil von den
anderen keiner wusste, was er tat. Diese Leute hatten keinerlei
Selbsterkenntnis, wenn man so will. Sie taten einfach, was alle taten: Bogen die
Vorschriften ein bisschen zurecht, verstießen gelegentlich vielleicht sogar
dagegen. Die Vorschriften waren nicht wirklich wichtig, technisches Zeug,
Vorschriften über Insiderhandel, solche Dinge. Wenn man erwischt wurde, bekam
man vielleicht ein Bußgeld – in seltenen Fällen konnte man auch für ein Jahr
oder so ins Gefängnis wandern –, aber meist waren es Kavaliersdelikte

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