Black Sun - Thriller
und zog eine lange flache Kiste heraus, wie man sie für langstielige Rosen verwendet.
McCarter humpelte nach vorn, als Pfarrer Domingo die Kiste auf den Tisch mit der Weinpresse legte. Eine Inschrift auf dem Deckel lautete EN EL AÑO DE DIOS MDCXCVIII.
»Im Jahr des Herrn 1698«, las McCarter laut vor.
»Muss ein seltener Jahrgang sein«, sagte Danielle.
Pfarrer Domingo blickte auf. »Sehr selten«, sagte er. »Es gibt meines Wissens keinen zweiten davon.«
Er öffnete die Kiste. Darin lag, in ein Handtuch und eine Lage feuerfestes Nomex-Gewebe gewickelt, eine verschlossene Plastiktüte. Darin befand sich ein brüchiges, gefaltetes Pergament, teilweise in Seide gehüllt.
Pfarrer Domingo legte das Pergament auf den Tisch und entfaltete es mit größter Sorgfalt. Auf der oberen Hälfte des vergilbten Papiers sahen sie spanische Schrift in verblasster blauer Tinte. Die untere Hälfte war mit Symbolen bedeckt: Maya-Hieroglyphen.
»Was ist das?«, fragte McCarter.
Pfarrer Domingo lächelte. »Die Geschichte der Kirche war nicht immer ehrenvoll. Schon gar nicht in diesem Teil der Welt. Als die Konquistadoren kamen, folgte ihnen die Kirche, und was Cortez’ Männer nicht stahlen, das verbrannte und zerstörte die Kirche. Bald war nichts mehr
übrig von dem, was es hier gegeben hatte. Sie töteten, verboten die Sitten und Gebräuche der Einheimischen, warfen Bücher und Pergamente zu Tausenden ins Feuer. Wenn sie gekonnt hätten, hätten sie die steinernen Monumente ins Meer gefegt.«
McCarter nickte traurig und wandte sich an Danielle und Hawker. »Nur vier Pergamentbücher der Maya existieren noch. Sie heißen Kodizes und sind nach den Städten benannt, in denen sie aufgehoben werden – der Madrid Kodex, der Paris-Kodex und der Dresden-Kodex. Es gibt ein viertes namens Grolier-Fragment. Vier von Tausenden. Einige kurze Seiten mit astrologischen Studien sind alles, was von Hunderten Generationen der Maya-Kultur geblieben ist.«
»Und die Kirche hat den Hauptteil des Zerstörungswerks zu verantworten«, sagte Domingo betrübt. »Eine Sünde, die wir bis zum Jüngsten Tag mit uns herumschleppen werden.«
»Aber dieses Buch«, bemerkte McCarter, da er sah, dass es sich um mehrere gefaltete Seiten handelte. »Wie hat es überlebt?«
»Gott bewirkt vieles von dem, was er tut, durch die Gefallenen und Schwachen«, sagte Pfarrer Domingo. »In diesem Fall gab es inmitten der größten Schande welche, die kein Blatt vor den Mund nahmen. Ein Missionar namens DeVaca war einer von ihnen. Einer der Männer, die sein Zeugnis erreichte, gehörte zu den Ersten, die hierher nach San Ignacio kamen. Sein Name war Philippe Don Pedro. Er kam aus der baskischen Region Spaniens, wo er ein Weingut besaß, das abbrannte, und nachdem er es wiederaufgebaut hatte, wurden seine Reben von einer Seuche vernichtet.
Er kam als gebrochener Mann in die neue Welt, als Priester
für die Kleinbauern. Doch als er hier eintraf, sah er Hänge, die guten Wein hervorbringen würden, und flaches Land, das man bewässern und in ertragreiche Felder verwandeln konnte. Aber er sah auch, dass die Menschen, die hier lebten, glücklich und friedfertig waren, auch wenn sie keine Christen waren. Und so log er. Seine Berichte an die Diözese beschrieben einen Ort, in den niemand einen Fuß setzen wollte, von Fieber verseuchtes Sumpfland, in dem es vor Moskitos wimmelte. Umgeben von höchst unfruchtbarem Boden.«
»Und Philippe Don Pedro hat dieses Pergament gefunden? «, fragte McCarter.
»Nein«, sagte Domingo. »Als der älteste Mann des Dorfes im Sterben lag, rief er nach Don Pedro. Er sagte, er habe in anderen Dörfern gelebt, ehe er in die Berge floh, und Don Pedro sei der einzige ehrenhafte Mann des neuen Regimes, den er gesehen habe. Er versprach zur Religion des Kreuzes zu konvertieren, wenn Don Pedro für alle Zeiten die letzten Worte der sterbenden Kultur beschützen würde. Worte die nicht mehr geschrieben, kaum noch gesprochen wurden.«
»Die Hieroglyphen«, sagte McCarter.
Pfarrer Domingo nickte. »Der Geschichte zufolge fragte Don Pedro den Alten, ob er wisse, was konvertieren bedeute. Dieser antwortete, sein Volk, die Maya, hätten immer gewusst, dass man Sünden nur durch Opfer und Blut sühnen könne. Wenn ihm Don Pedro nun sagte, dass Christus dies für alle getan habe, würde er daran glauben. «
McCarter nickte. Für viele zentralamerikanischen Religionen klang die Geschichte, dass Christus sich am Kreuz geopfert, sein Leben und sein
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