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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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Dreadlocks flatterten hinter ihm her, und sein knöchellanger Mantel umwallte ihn wie ein Umhang. Er sah durch und durch wie ein König aus. Um ihn herum
leuchtete eine purpurne Aura. Die Menschen, die in der Schlange für die Aussichtsplattform standen, richteten sich auf, wenn sie damit in Kontakt kamen, aber sie starrten ihn nicht an.
    »Wie machst du das?«, fragte ich ihn. »Wie gelingt es dir, dich so unauffällig einzugliedern?«
    »Die Menschen sehen, was sie sehen wollen«, antwortete er. »Du wärst überrascht, wie viele ungesehen durch diese Welt gehen. Die meisten von uns versuchen, unauffällig zu sein. Auf das Geschöpf, das wir heute Nacht besuchen werden, trifft das allerdings nicht zu.«
    »Geschöpf?«, wiederholte ich ner vös, während ich Oberon in die Eingangshalle folgte. Mir fiel wieder ein, dass Fen und Puck bei dem Gedanken an einige der Lehrer, an die ich mich würde wenden müssen, beunruhigt ausgesehen hatten.
    Oberon lachte. »Keine Sorge, dieses Wesen ist ziemlich gutwillig. Ich lasse dich mit den sanfteren unserer Art anfangen.«
    Wir gingen zwischen den Fahrstuhlblöcken hindurch, die zu den Büroetagen des Gebäudes führten. Vor jedem befand sich aus Sicherheitsgründen ein Drehkreuz. Als wir den letzten Block erreichten – den, dessen Aufzug zu den obersten Stockwerken hinaufging -, holte Oberon wieder seine Haftnotizen hervor, schrieb etwas darauf und führte sie über den Sensor. Das Licht schaltete sofort auf Grün. Nachdem er hindurchgegangen war, reichte er mir den Zettel, damit ich es ihm gleichtat. Ich erwartete, irgendein esoterisches Symbol darauf zu sehen, aber stattdessen standen dort die Worte: Sesam, öffne dich! Das brachte mich zum Lachen, und weil er mir bereits vorausgegangen
war und sich nicht mehr zu mir umwandte, steckte ich den Zettel einfach in die Tasche.
     
    Auf dem Weg nach oben spürte ich einen heftigen Druck auf den Ohren, aber ich hielt mich gut, bis die Fahrstuhltüren sich im 100. Stockwerk öffneten und sich vor mir eine Glasfront erstreckte, hinter der ganz Lower Manhattan und die obere Bucht von New York unter einem klaren Nachthimmel funkelten. Für einen Augenblick fürchtete ich, über der Stadt zu schweben, sobald ich den Fahrstuhl verließ, und war wie gelähmt. Oberon musste mich anstupsen, damit ich einen Schritt tat. Dann bemerkte ich, dass zwischen der ersten Glasfront und dem Außenfenster ein Sendestudio eingezwängt war. In silbernen Lettern prangten die Buchstaben WROX auf dem Glas.
    »Diesen Sender höre ich dauernd«, sagte ich überrascht und trat nun endlich aus dem Lift. »Vor allem das Nachtprogramm …« Nun sah ich zu der einsamen Gestalt im Studio, die vor einem Mischpult saß, das so kompliziert wirkte wie die Instrumententafel einer Boing 747. Mit den großen, halbkugelförmigen Kopfhörern über den Ohren wirkte die Moderatorin tatsächlich ein wenig, als säße sie im Cockpit eines Flugzeugs.
    »Ist das Ariel Earhart, die Moderatorin von ›The Night Flight‹?«
    Oberon nickte. »Ich habe ihr gleich gesagt, der Name sei viel zu verdächtig, aber sie wollte nicht auf mich hören. Außerdem ist sie viel zu verliebt in den Klang ihrer eigenen Stimme …« Die Hand an der Tür hielt er inne und sah zu der roten Leuchtschrift ON THE AIR hinauf. Ariel Earhart saß zwar in ihrem schalldichten Studio und
wandte uns den Rücken zu, aber dennoch hob sie die rechte Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger. Oberon lachte.
    »Willst du damit sagen, sie ist die Ariel aus Shakespeares Der Sturm ?«, fragte ich, aber Oberon legte nun den Finger auf die Lippen und öffnete die Tür. Als wir das Studio betraten, umgab uns die weiche, melodische Stimme einer Frau, die gerade jenes Gedicht vorlas, mit dem sie jede ihrer Sendungen eröffnete.
    Die Nacht ist ein Geschöpf wie Fledermaus und Eule
die Stimmung wechselhaft, von lautem Windgeheule
bis warmer Sternenpracht zur Sommerzeit,
die andrer Art von Flügeln Raum verleiht,
der weichen Schwinge der Musik, dem Flug des Geists,
unsichtbar zwar, doch voller Freude Richtung weist.
Wollt mit mir schweben ihr, die mit der Nacht ihr reist,
Die Stadt weit unter uns funkelt adieu
und mondwärts steigen wir wie Falken in die Höh.
    »Guten Abend, New York, hier ist wieder Ariel Earhart, die euch an Bord des Night Flight willkommen heißt. Unseren heutigen Nachtflug beginnen wir mit einem neuen Song einer meiner aktuellen Lieblingsbands, London Dispersion Force.«
    Sie drückte einen Knopf, und

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