Blackmail: Thriller (German Edition)
»Dr. Cage!«
Dad lächelt. »Höchstpersönlich.«
»Was machen Sie hier draußen, Doktor? Mein Gott, ich hab Sie seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr gesehen! Tut mir leid, dass ich Sie nicht gleich erkannt hab.«
»Der Junge da oben ist krank, Iola. Krank von Drogen. Seine Mutter hat mich angerufen, und dann hat mich James Ervin ebenfalls angerufen, und ich dachte, ich fahre vielleicht besser hin und sehe nach.«
Die Frau schüttelt verwundert den Kopf. »Das ist kein guter Mann, Doktor. Er steckt bis zum Hals in diesen Drogen, genau wie die meisten anderen Taugenichtse.« Sie nickt in Richtung der beiden anderen Männer. »Wir wussten nur nicht, wer Sie sind, das ist alles, Doktor. Ich und meine Jungs versuchen aufzupassen, wer hier kommt und geht. Hin und wieder kommen nämlich ein paar ziemlich üble Weiße vorbei.«
»Bei wem waren Sie in den letzten Jahren in Behandlung?«, erkundigt sich Dad. »Dr. Jeffers?«
Iola Johnson kichert böse. »Bei niemandem, Doktor! Ich war nie krank, Gott sei Dank! Hab nämlich kein Geld, um zu einem Doktor zu gehen. Aber ich sag Ihnen, die verdammte Arthritis macht mir immer mehr zu schaffen, je älter ich werde.«
Dad gibt der Frau ein paar Ratschläge, was sie tun kann; dann gehen wir zu James Ervins altem Pick-up. Als der Motor rumpelnd startet, muss ich an Jaderious’ Worte denken und sein Entsetzen beim Gedanken an Cyrus’ Rache: Ich rede davon, Menschen zu verstümmeln, Mann! Gliedmaßen abschneiden und alles! Löcher in die Knochen bohren! Während sie noch am Leben sind, Mann!
»Es wird Zeit, Annie aus der Stadt zu schaffen, Dad«, sage ich leise.
»Höchste Zeit«, stimmt Dad mir zu. Er sieht James Ervin an. »Danke, James.«
Der alte Cop schüttelt den Kopf, und seine Beagle-Augen sind voller Schmerz. »Diese Welt geht vor die Hunde, Dr. Cage. So schlimm wie heute war es noch nie. Es ist wie die Endzeit oder so was.«
Dad drückt Ervin das Knie, doch er schweigt. Dann dreht er sich zu mir um. »Ich habe gelesen, dass Bürgermeister Jones endlich zurückgetreten ist«, sagt er.
Perfektes Timing, wie immer. »Hab ich auch gehört.«
»Du hast gehört, was James soeben gesagt hat. Meinst du immer noch, dass du diesen Job machen willst?«
»Ich denke darüber nach, Dad. Caitlin scheint zu glauben, dass diese Stadt nicht gerettet werden will. Ich erinnere mich, dass du vor gar nicht allzu langer Zeit genau das Gleiche geäußert hast.«
»Nicht genau das Gleiche.« Dad greift in seine Tasche, nimmt eine Zigarre hervor und packt sie aus. »Es gibt da ein Zitat, an das ich denken muss. Ich erinnere mich nicht, woher es stammt. Vielleicht aus der Thora.«
»Wie lautet es?«
»›Nur weil man das vollendete Werk nicht sehen wird, hat man noch lange kein Recht, es nicht zu beginnen.‹« Dad lächelt und nimmt sein Feuerzeug hervor. »Oder in der Art.«
»Wie Moses«, sagt James Ervin auf dem Fahrersitz. »Er hat das Gelobte Land auch nie mit eigenen Augen gesehen, aber er hat sein Volk hingeführt, so viel steht fest.«
Dads Augen glitzern schelmisch.
Eine Stunde, nachdem wir von Brightside Manor zurückgekehrt waren, saßen Annie und meine Eltern im Wagen und fuhren über den Highway 61 in Richtung Süden und der relativen Sicherheit von New Orleans. Als ich nach Hause kam, saß Caitlin auf den Stufen meiner Vordertreppe. Es war eigenartig, sie dort so ruhig zu sehen, ohne ein Handy in der Hand. Ich wollte fragen, ob sie Lust hätte, mit mir gemeinsam zu kochen, doch bevor ich fünf Worte herausgebracht hatte, stand sie auf und legte mir den Finger auf die Lippen. Dann nahm sie mich bei der Hand und führte mich durch meine blaue Tür ins Haus. Sie blieb nicht in der Küche stehen, sondern ging durch die Halle zu meiner Schlafzimmertür. Dort stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen langen, sanften Kuss. Der Widerwille, der mich vor zwei Nächten daran gehindert hatte, mit ihr zu schlafen, schwelte immer noch irgendwo tief in mir, doch ich hatte in der Zwischenzeit zu viel durchgemacht, um mir jetzt noch den Kopf zu zerbrechen, wer womit recht hatte und wer nicht. Verlangen stieg in mir auf wie eine Urkraft, und Caitlin reagierte mit einer Leidenschaft, die an Gewalt grenzte. Während unsere Kleidung rings um uns zu Boden fiel, drehte sie sich um und stemmte beide Hände gegen die Wand; dann reckte sie mir die Hüften entgegen. Ich zögerte einen Moment, gefesselt vom Anblick ihrer schwarzen Mähne auf der weißen Haut ihrer
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