Blackmail: Thriller (German Edition)
schiebt er mir die Nadel mit dem lässigen Geschick einer medizinischen Labortechnikerin in die Unterarmvene. Ich spüre keinen Einstich, doch als er den Kolben der Spritze einzudrücken beginnt, bin ich erfüllt von nackter Todesangst.
»Was war das?«, schreie ich.
Blue lässt meinen Oberarm los. Cyrus klopft in meine Ellbogenbeuge; dann setzt er sich wieder auf die Bank. »Das findest du schnell genug selbst heraus«, sagt er mit glänzenden Augen. »Pass auf, jetzt geht’s los.«
Zuerst spüre ich eine Hitzewallung im Bauch, direkt unterhalb meines Herzens. Von dort aus breitet sie sich aus, flutet in meine Gliedmaßen und erzeugt eine vollkommen unvertraute Taubheit. Panik höhlt mich aus, doch ganz urplötzlich verebbt der Druck, und meine Muskeln werden schlaff.
»Kämpf nicht dagegen an«, rät Cyrus. »Lass es seinen Platz finden.«
»Was …?«
»Jesus Dust«, sagt Cyrus.
»Sieh dir seine Augen an«, sagt Blue. »Er ist schon drauf, Mann.«
Cyrus lacht tief und voll.
»Wohin fahren wir?«, fragt eine unbekannte Stimme.
Der Fahrer? Ich schaffe es nicht, den Kopf nach ihm zu drehen. Meine Muskeln weigern sich, den Befehlen meiner Nerven Folge zu leisten.
»Du weißt wohin«, sagt Cyrus. »Sind Sie noch bei uns, Mr Cage?«
Ich versuche zu antworten, doch aus meinem Mund kommt lediglich eine lange, bedeutungslose Silbe.
»Genau«, sagt Cyrus, offensichtlich unendlich erheitert über meine Antwort.
Blue beugt sich über mich und lacht wie ein Vater, der zusieht, wie sein Baby versucht, die ersten Worte seines Lebens zu sprechen.
Ich erwache auf einem Schlafsack auf hartem Untergrund. Einem Metallboden. Ich rolle mich herum und blinzle in grelles Licht aus Leuchtstoffröhren.
»Er ist wieder da«, sagt eine tiefe Stimme. »Er kommt zu sich.«
Cyrus sitzt in einem Bürosessel zweieinhalb Meter von mir weg, die Ellbogen auf den Knien, und beobachtet mich aus dunklen Augen. Der riesige Mann namens Blue lehnt hinter ihm an der Wand.
»Wie fühlst du dich?«, fragt Cyrus.
»Ich weiß nicht. Merkwürdig.«
»Das kommt vom Jesus Dust. Hast du noch nie Heroin probiert?«
Ich bin schockiert, doch meine Reaktion ist eigenartig gedämpft. »Nein.«
Cyrus nickt fröhlich. »Geil, was?«
Meine Uhr ist verschwunden, genau wie mein Handy. »Wie spät ist es?«
»Party-Zeit!« Cyrus lacht.
»Genau«, sagt Blue. Seine Stimme klingt nicht viel höher als die von Barry White.
»Wo sind wir?«
»Sieh dich um«, sagt Cyrus. »Erkennst du es nicht?«
Ich erkenne es wieder. Es ist eine Art Labor, zehn Meter breit, zwölf Meter lang, mit mehreren industriellen Elektromaschinen. In einer Ecke steht ein Kunstledersessel vor einem kleinen Fernseher und einer Mikrowelle auf einer Reihe von Schränken. An einer anderen Wand steht ein Schlafsofa. An der Wand zu meiner Rechten steht eine Art mechanischer Karren mit einem Logo auf der Seite, einem blauen Dreizack mit den Initialen tbc darunter.
»Triton Battery?«, frage ich.
Cyrus nickt. »Mein alter Arbeitgeber. Er hilft mir inzwischen auf eine Weise, die er sich nie hätte träumen lassen.«
»Ich habe auch mal hier gearbeitet. Im Sommer nach meinem ersten Semester am College.«
»Tatsache? Die meisten Leute haben irgendwann mal hier gearbeitet. Entweder hier oder bei IP.«
Die Triton Battery Company kam 1936 nach Natchez, um hier Batterien für Pullman-Eisenbahnwaggons zu bauen. 1940wurde die Fertigungslinie umgerüstet, um U-Boot-Batterien zu produzieren. Nach dem Krieg waren es lkw-Batterien, Marine-Batterien, was immer der sich ändernde Markt verlangte. Bevor die Fabrik vor drei Jahren geschlossen wurde, stellte Triton auf seinen uralten Maschinen Motorradbatterien für europäische und asiatische Marken her.
»In welchem Teil der Fabrik sind wir?«
»Erprobungsgelände. Es ist der einzige Teil, wo die Klimatisierung noch funktioniert. Hier und im Pförtnerhaus. Das ist mein vorläufiger Unterschlupf.«
Wenn ich nicht tot bin, dann nur, weil Cyrus mich für irgendetwas lebendig braucht. Wahrscheinlich Informationen. Erneut denke ich an die Foltermethoden, von denen Jaderious gesprochen hat. Wie soll ich mich verhalten? Soll ich von Anfang an alles sagen, was ich weiß? Oder soll ich etwas zurückhalten, damit ich später noch etwas habe, das ich »ausspucken« kann? Ein Raubtier wie Cyrus White wird nicht glauben, dass ich alles gesagt habe, bevor er nicht wenigstens einen Teil aus mir herausgepresst hat. Aber was will er eigentlich wissen?
»Was
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