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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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nicht, du hattest damals einen Gehirntumor.«
    »Seitdem habe ich eine Menge getan oder nicht getan.«
    Zum Beispiel war ich aufgewacht und hatte einen Schnitt über meinem kleinen Zeh entdeckt. Ohne im Geringsten geistig beeinträchtigt zu sein, war ich meinen eigenen blutigen Fußspuren durchs ganze Haus gefolgt. Hatte mein Filetiermesser vorm Bett gefunden, mit meinen Fingerabdrücken darauf. Hatte das zerbrochene Glas in der Spüle gefunden, und das Gangliogliom hatte sich als Hobbyhöhlenforscher in meinen Abfluss verabschiedet. Was, wenn man mir nie Sevofluran verabreicht hatte? Was, wenn Morton Frankel nie in meinem Haus gewesen war? Was, wenn das alles nur meinem Schriftstellergehirn entsprungen war, das sich gerade einen verzwickten Roman ausdachte? Eine Erzählung, die ich mir aus demselben Grund ausdachte, aus dem schon seit ewigen Zeiten eskapistisches Seemannsgarn gesponnen wurde?
    Eine Erinnerung traf mich mit voller Wucht, frisch wie eine Vision.
    Geneviève, wie sie in Kängurumanier am Rand einer Klippe über Santa Monica Beach entlanghüpfte und manisch kicherte, während ich ihr in anderthalb Metern Abstand folgte. Eine geniale Art von Erpressung – sollte ich Angst kriegen? Gleichgültig bleiben? Näher kommen? Touristen beobachteten das Schauspiel mit bangen Blicken, Eltern drehten ihre Kinder weg. Wir waren über irgendetwas Weltbewegendes in Streit geraten – Taco-Stand oder koreanischer Grillimbiss? –, und wie so oft war er eskaliert.
Was ist los, Drew? Schämst du dich mit mir?
Natürlich, ich schämte mich, aber ich hatte gleichzeitig Angst, dass sie sich mit ihren Hüpfern verschätzen könnte, und verspürte auch einen gewissen Groll darüber, wie sich jedes Mal meine Hände zu Fäusten zusammenkrampften, wenn sie ins Straucheln kam. Damals hatte ich das Gefühl noch nicht identifiziert, das bereits unter all diesen anderen Empfindungen lag wie schwelende Glut: Zorn.
    Ich glaube, dass jeder Mensch zu allem fähig ist.
    Abgesehen von meinem eigenen labilen Ich hatte ich noch andere nächtliche Gefahren zu bieten.
    Kaden und Delveckio konnten vorbeikommen – ich schuldete ihnen immerhin noch eine Waffe – und Caroline mit in die Ermittlungen hineinziehen. Morton Frankel könnte jetzt gerade unten auf der Straße stehen, Selbstgedrehte rauchen und zu diesem Fenster hinaufstarren.
    »Ich trau der Sache noch nicht. Ich muss noch mehr Antworten finden.«
    »Tut mir leid«, sagte sie, »aber in dieser Beziehung haben wir nur Platz für meine Probleme.«
    Damit rang sie mir doch wieder ein Lächeln ab. Sie warf sich ein Nachthemd über, während ich mich anzog. An der Tür küssten wir uns. Ich fuhr mit dem Daumen über eine ihrer Narben.
    »Was, wenn du diesen Weg bis zu Ende gehst, nur um festzustellen, dass du es doch getan hast?«, wollte sie wissen.
    »Ich glaube nicht, dass ich noch mit mir leben könnte.«
    »Drew«, sagte sie, »diese Wahl treffen wir normalerweise nicht selbst.«

[home]
    37
    I ch wachte ruhig auf und wusste die Uhrzeit, bevor ich auf meinen Wecker blickte.
1 Uhr 08 .
Bedrohliches Rumpeln im Erdgeschoss. Eine ungewöhnliche Kühle lag in der Luft, so kalt wurde es im Haus nachts nicht, nicht einmal im Januar. Ich drehte mich zur Seite und legte meine Hand auf die geladene 6 mm.
    Das Geräusch verstummte, um kurz darauf mit neuer Energie zu beginnen.
    Xena knurrte.
    Ich warf die Bettdecke zurück, rannte zum Kleiderschrank und zog mich hastig an. Als ich am Fenster vorbeilief, hielt ich inne, und mir stockte der Atem.
    Gegenüber auf der anderen Straßenseite stand ein Mann in der Dunkelheit des Einstellplatzes eines Nachbarn und starrte zu meinem Haus hoch. Er war kaum mehr als ein schwarzer Schemen – das Zusammenspiel der Schatten machte es schwierig, auch nur seine Größe richtig einzuschätzen.
    War es Morton Frankel, der mich endlich besuchen kam?
    Er stand ganz reglos, und die Neigung seines Kopfes verriet, dass er wohl genau zu dem Fenster hochblickte, hinter dem ich stand. Konnte er mich im Dunkeln hinter der Scheibe sehen?
    Ich ging rasch aus dem Schlafzimmer auf die Empore. Als ich übers Geländer spähte, sah ich den Riegel auf dem Teppich liegen. Er war wieder aus der Laufschiene der Verandatür herausgezogen worden. Die Schiebetür selbst konnte ich zwar nicht sehen, aber Xena stand davor und hatte die Haare im Genick und auf dem Rücken zu Wolfsborsten gesträubt. Ein Windstoß rüttelte an der Fliegentür, und einen Moment später spürte ich

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