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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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hatten die Mütter und Väter ihren Kindern bereits die fremde Sprache beigebracht, oder wahrscheinlich, so dachte Johannes, wurde das hier ab dem Kindergarten gelehrt. Ihn beschlich die Angst, dass die anderen ihm noch viel mehr voraushaben könnten. Sicherlich wussten sie Sachen, die Fräulein Heiterwand in Anlehnung an den Lehrplan für Dorfvolksschulen nicht einmal erwähnt hatte. Johannes ging einen Schritt beiseite und stellte sich in den Windschatten der Kolomanstatue. Er fühlte sich gar nicht mehr wohl und blickte die Allee hinunter, aber Ilses Wagen war nicht mehr zu sehen. Ihm wurde heiß in der ultramarinblauen Uniform, die noch frisch gekauft roch. Die Krawatte raubte ihm die Luft zum Atmen, während er sich fragte, wie er bloß mit den anderen Kindern mithalten sollte, die sicherlich nicht nur einen Doktor Opa, sondern auch eine Frau Doktor Mama und einen Herrn Doktor Papa hatten. Johannes drehte sich um und ging den Berg hinab. Vielleicht sollte er lieber in die Hauptschule gehen, überlegte er. Darauf hatte Fräulein Heiterwand die St.-Petri-Volksschulkinder schließlich vorbereitet. Johannes erinnerte sich, einmal hatte er ihr eine Frage gestellt, doch anstatt diese zu beantworten, hatte sie nur gemeint Des kann dir wurscht sei, Johannes. Des muaß man nur wissen, wenn man ins Gymnasium geht, owa in der Hauptschul brauchst das net.
    Johannes beschleunigte seinen Schritt, es war besser, er ginge jetzt, als dass ihn alle hänselten, weil er nicht einmal den Spruch über der Tür lesen konnte.
    »Johannes, jetzt bleib stehen, du gehst ja in die falsche Richtung!«
    Pater Tobias hatte Johannes’ Zögern von der Balustrade aus beobachtet, wohin er Mitzi Ammermann und Pater Wilfried etwas Tee gebracht hatte. Er holte ihn in der Mitte der Allee ein.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, stammelte Johannes und starrte seine Schuhspitzen an.
    Pater Tobias kniete sich nieder, um ihm besser in die Augen schauen zu können.
    »Die anderen Kinder passen viel besser hierher als ich. Ich kann nicht mal die Inschrift über der Pforte lesen.«
    »Aber Johannes, was denkst du denn? Glaubst du wirklich, die verstehen, was über der Pforte steht?«
    »Die gehen aber alle da rein.«
    »Ja, weil es ihnen egal ist – weil sie die Inschrift nicht einmal sehen.«
    Pater Tobias richtete sich auf und schob den Knaben an den Schulterblättern Richtung Eingang. Zuerst versuchte Johannes sich zu wehren, ließ sich dann jedoch von den warmen Handflächen des Paters vorwärtsschieben.
    »Kannst du ein Geheimnis behalten? In Wirklichkeit bist du schon viel klüger als die anderen Kinder. Du entdeckst Dinge, die sie nicht sehen. Machst dir Gedanken, auf die sie nicht kommen. Du bemerkst die Besonderheiten der Welt, und diese Schule ist dafür da, dir beizubringen, wie du das, was du siehst, deuten musst. Wenn also einer hierhergehört, dann du.«
    Pater Tobias und Johannes waren vor der Pforte angekommen, der Pater blieb stehen.
    »Lies mir doch mal den Schriftzug vor.«
    Johannes rückte sich die Brille auf der Nase zurecht, kniff seine Augen zusammen und las:
    »Huc venite pueri, ut viri sitis.«
    »Pass auf, Johannes: Heute liest du mir vor, ich übersetze. Und wenn du diese Schule wieder verlässt, werde ich dir den Spruch vorlesen, und du wirst mir die Wörter einzeln erklären und übersetzen. Ja?«
    Johannes nickte.
    »Kommt her ihr Burschen, damit ihr Männer werdet.«
    Johannes atmete gut durch und folgte den mit Siegeln versehenen Pfeilen: Erstklässler . Die Kirchglocken läuteten, und der Tag roch frisch, nach sauberem, unbenutzten Papier. Johannes lächelte. Sein erster Schultag in St.   Peter hatte nach ranzigem Gummi und Turnbeuteln gerochen, doch nun lag ein Duft in der Luft, von dem er stets gedacht hatte, dass ihn ein erster Schultag haben müsste.
    Bis auf die Konventsputzfrau Mitzi Ammermann waren sich alle Lehrer wie Mönche einig, dass der kleine Johannes A. Irrwein ein goldiger Bub sei, aufgeweckt und klug, wie man ihn niemals in St.   Peter am Anger vermutet hätte. Mitzi Ammermann fand ihn uninteressant, da er keine glamourösen Eltern hatte. Aber so erging es fast allen Schülern, die durch ein Stipendium statt durch die elterliche Geldbörse auf die Schule gekommen waren und daraufhin von Mitzi Ammermann angeheischt wurden, nicht so schnell zu laufen, oder beschimpft wurden, wenn sie beim Essen bröselten, obwohl Mitzi Ammermann eigentlich nur für den Konvent zuständig war und sie die Schule nichts

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