Blaubeertage (German Edition)
ihre Meinung zu ein paar Songs hören.«
»Noch weiß er nicht, dass meine Meinung völlig nutzlos ist, was Musik angeht«, sage ich zu meiner Mom.
»Sie hat einen ausgezeichneten Musikgeschmack«, versichert ihm meine Mom, als ob ihn meine Meinung wirklich interessieren würde. Er geht an meiner Mom vorbei und ich sehe, wie ihr Blick auf seiner Wade hängen bleibt. Sie zeigt nach unten. »Was bedeutet das?« Er dreht den Fuß, um auf seine Tätowierung zu schauen, als hätte er vergessen, dass dort eine ist. »Das ist ein chinesisches Symbol. Es bedeutet ›Die Bereitschaft, etwas zu akzeptieren‹.«
»Wie schön das ist«, sagt meine Mom.
»Danke.« Er dreht sich zu mir. »Bist du so weit?«
»Ja. Danke, Mom. Bis später dann.«
Er legt seinen Arm um meine Schulter. Ich fange an, mich an Masons Anlehnungsbedürfnis zu gewöhnen. Im Moment brauche ich auch jemand zum Anlehnen.
Ich stupse ihn mit dem Ellenbogen an. »Du trägst Shorts im November?«
»So kalt ist es gar nicht.«
Natürlich hat er recht. An der Küste Kaliforniens unterscheidet sich der Beginn des Monats November kaum von den Anfängen der meisten Monate. »Wo probt ihr denn?«, frage ich.
Er zeigt auf einen lila Minivan.
»In einem Minivan?«
»Nein, damit fahren wir zur Probe.«
Die Seitentür des Minivans gleitet auf und Skye steigt mit einem Lächeln aus. »Ich hätte nicht gedacht, dass er es schafft, dich aus dem Laden zu kriegen.«
»Wieso nicht?«
»Weil du so pflichtbewusst bist. Aber er hat mir versichert, dass er es könne. Anscheinend habe ich den Tic-Charme unterschätzt.«
Eher hat sie meine Einsamkeit unterschätzt. Mason riecht gut und ich schmiege mich ein bisschen enger an seine Brust. »Na ja, meine Mom hatte gute Laune. Eigentlich hat sie mich quasi aus dem Laden geworfen.«
»Oh!«, sagt Mason. »Zieht euch das rein.« Er macht die Beifahrertür auf und hechtet praktisch mit einem Kopfsprung hinein, um etwas vom Boden aufzuheben. Er kommt mit einer Starz wieder heraus. »Noch ein Artikel. Du solltest anfangen, die zu sammeln. Dann können wir so tun, als wären wir berühmt, oder?«
Ich schnappe mir die Illustrierte und überfliege die Titelseite, bis ich Xander unter der Schlagzeile Xander Spence und Sadie Newel am Wochenende in L.A. gesichtet finde. Auf dem Foto hält er mit einem Mädchen mit kurzen dunklen Haaren und langen, sonnengebräunten Beinen Händchen. Mein Magen zieht sich zusammen, am liebsten möchte ich mich übergeben. Xander hatte letztes Wochenende also noch mehr vor, als nur das Hemd eines Hotelgastes zu ersetzen.
Ich schlage den Artikel auf und lese: »Xander Spence, Sohn von Hotelkettenbesitzer Blaine Spence, wurde letztes Wochenende in Los Angeles vor dem Nachtclub Oxygen mit seiner langjährigen Freundin, der Schauspielerin Sadie Newel gesichtet, die die letzten sechs Monate wegen Dreharbeiten in Paris unterwegs …«
Langjährige Freundin? Ich kann nicht weiterlesen, denn vor meinen Augen verschwimmt alles. Es kommt überhaupt nicht infrage, dass ich deswegen anfange zu heulen. Ich hatte Xander bereits gehen lassen. Ich habe ihm die Kamera zurückgegeben, rufe ich mir ins Gedächtnis. Damit hatte ich ihn freigegeben. Aber insgeheim, tief in mir drin, hatte ich gehofft, dass er wiederkommen würde. Ich beiße mir von innen auf die Backe und dränge die Tränen zurück. »Wow, spannender Artikel«, sage ich. »Zwei Menschen wurden gesehen, wie sie zusammen über die Straße gehen. Das sind ja mal echte Neuigkeiten.«
Sechs Monate. Sie hat die letzten sechs Monate gedreht. Ich war für ihn ein Zeitvertreib. Mein Hirn erinnert mich prompt daran, wie platonisch unsere Beziehung eigentlich gewesen ist: Nie hat er sich beim Gehen an mich geschmiegt, er hat sich Mason gegenüber demonstrativ als ein Freund von mir vorgestellt und nie waren unsere Ausflüge Dates. Es waren »Berufsinformationstage«. Diese Woche war er nicht vorbeigekommen.
Dummes Hirn. Warum hat es mich darauf nicht eher hingewiesen? Offensichtlich habe ich Xander in allen Dingen völlig falsch interpretiert. Ich komme mir so dumm vor. Er wollte wirklich bloß mit mir befreundet sein.
Ich schlucke meine Tränen hinunter. Gut. Das ist genau das, was ich brauche – einen sauberen Schlussstrich. Einen dauerhaften Schlussstrich. Ich schaue mir Sadie Newel auf dem Foto an. Sie ist schön und elegant und passt viel besser zum ihm.
Henry taucht hinter dem Minivan auf. »Bereit, unsere erste Single aufzunehmen?« Er hält sein
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