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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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du da?«, fragte Wyatt. Ich erschrak.
    »Äh …« Ich sah auf sein Gesicht, das an meiner Brust ruhte, und hatte keine Ahnung, was ich ihm erzählen sollte.
    »Alles auf Finnisch«, sagte er und benutzte frech mein Kleid, um sich die Tränen wegzuwischen. Seine Augen waren so hell und frisch wie eine Straße nach einem heftigen Regen. »Was hast du gesagt?«
    »Ich habe gebetet«, log ich. »Um Vergebung.«
    »Für mich?« Er schien gerührt bei dem Gedanken.
    Ich sah Poppa an. »Für uns alle«, sagte ich ernst.

30

    Am Samstag war Carmins Geburtstag, aber nach Petras Tod hatte er die Party abgesagt. »Das ist wahrscheinlich dumm«, sagte er, als er mit Lecy, Wyatt und mir zum Evangeline Park in die Oberstadt fuhr. »Aber was ist so toll daran, sechzehn zu werden? Petra ist sechzehn geworden – und schaut euch an, wie scheiße das gelaufen ist.«
    Es war nun zwei Uhr am Nachmittag, und wir vier lagen zusammen auf einer Decke am Ufer des Nudoso River. Hohe Schönlilien nickten uns bedrohlich und geisterhaft von oben zu. Ich zitterte, aber nicht vor Kälte.
    Es waren die Nerven.
    »Alles gut?« Wyatt fühlte sich warm neben mir an. Er trug den grünen Mantel, den ich ihm geschneidert hatte.
    »Nein«, gab ich zu. »Ich fühle mich seltsam.«
    »Als Pet gestorben ist, wurde alles seltsam«, sagte Lecy, die auf der anderen Seite neben mir lag. Sie trug eine schwarze Kapitänsjacke mit weißen Knöpfen, und sie hatte sich eine der Schönlilien in ihr schwarzes Haar gesteckt. Es hatte etwas Verstörendes, als würde die Lilie ihren Kopf verschlucken. »Sie hat ein Loch in die Welt gerissen. Fühlt ihr es nicht? Diese Leere?«
    Wir verdauten schweigend, was sie gesagt hatte, und lauschten dem Plätschern des Flusses hinter uns.
    »Pet ist gerne hergekommen«, sagte Wyatt leise und sah in den Himmel. »Sie wurde in der Nähe eines Flusses geboren. Dem Rio Grande, glaube ich. Das Wasser hat mit ihr gesprochen.« Er griff nach meiner kalten Hand und drückte sie. Seine Haut war warm wie ein Ofen. »Wusstest du, dass sie gerne herkam?«
    So oder so hatte ich nicht darüber nachgedacht, obwohl es meine Idee gewesen war, hierherzufahren. Aber da er es gerade erwähnte …
    »Ich erinnere mich daran, dass sie gerne nach Evangeline kam, wenn sie Angst hatte«, sagte ich. »Ich dachte, wir könnten alle die Abgeschiedenheit gebrauchen.«
    Neben mir drehte sich Lecy um. »Wo sind sie, Carmin?«
    Carmin setzte sich auf und trotzte dem Wind. Sein Haar hob sich flammend vom Himmel ab. Er zog einen Strauß Blumen aus seinem Dufflecoat und reichte eine an jeden von uns weiter. Die Blumen waren von einem helleren, sanfteren Blau als Carmins Brille.
    »Das waren die einzigen frischen Vergissmeinnicht, die ich kriegen konnte«, sagte er. »Die anderen hab ich schon alle verarbeitet.«
    Ich hielt die Blume an meine Nase. »Wofür sind die?«
    »Um sich an Pet zu erinnern«, sagte Carmin. »Du isst die Blüten, und sie helfen dir, dich an die geliebten Menschen zu erinnern, die gestorben sind.«
    Es wäre gemein gewesen zu sagen, dass ich Petra nicht gemocht hatte, also sagte ich nur: »Ich hab sie kaum gekannt, ich weiß nur, dass sie eine große Klappe hatte. Und dass sie ein Feigling war.«
    »Nicht zuletzt«, rief Wyatt und drehte sich zu mir. »Du hast es gesehen. Petra war am Ende knallhart, sie hat Frankies Fuß festgehalten, damit er nicht abhauen konnte.«
    »Jeder hat einen Funken Mut«, sagte Lecy. »Sogar jemand wie Pet.« Sie wandte sich Carmin zu. »Du hättest Pillen machen sollen. Die Wirkung von frischen Blumen lässt sauschnell nach.«
    »Ich habe Pillen gemacht.«
    »Dann rück raus, Süßer!«
    Er zog eine Handvoll blauer, mit Flüssigkeit gefüllter Kapseln aus einer Plastiktüte und gab Lecy, Wyatt und mir jeweils zwei Stück. »Die Pillen halten lange vor. Vielleicht ein bisschen zu lang. Ungefähr eine Stunde. Also nehmt immer nur eine.«
    Wyatt gab Lecy seine beiden. »Wer will denn schon mitten in der Wildnis eine Stunde lang bewusstlos sein?«
    »Dann nimm sie zu Hause, Einstein«, sagte Carmin.
    »Ich bin rund um die Uhr auf Abruf, Klugscheißer.«
    »Dich zwingt keiner, die Pillen zu nehmen! Warum hab ich wohl die Blumen mitgebracht? Entschuldige, dass ich mitdenke.«
    »Wir werden davon also bewusstlos?«, fragte ich und unterbrach ihr Gezänk.
    »Für kurze Zeit«, sagte Lecy. »Als würde man wachträumen.«
    Ich hatte geplant, mich unter dem Vorwand wegzuschleichen, aufs Klo zu müssen. Außer Sichtweite

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