Bleib bei mir, kleine Lady
liebe Sie, Gracila. Ich liebe Sie, wie ich noch nie in meinem Leben geliebt habe und nie mehr lieben werde. Aber ich kann Ihnen nichts bieten.“
Im ersten Moment traute Gracila ihren Ohren nicht, doch dann ging plötzlich ein Leuchten über ihr Gesicht, als seien ihre Augen von tausend Kerzen erhellt.
„Sie lieben mich?“ fragte sie leise.
„Wundert Sie das? Meine geliebte Gracila, ich hatte keine Ahnung, daß es auf dieser Welt einen so reinen, so einmaligen, so unschuldigen Menschen gibt. Und das ist der Grund, warum ich mich zurückziehen muß.“
„Sie lieben mich“, sagte Gracila. „Und ich weiß jetzt, daß ich …“
Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
„Bitte, sagen Sie es“, flehte Lord Damien. „Lassen Sie es mich ein einziges Mal hören, damit ich mich für den Rest meines Lebens daran erinnern kann.“
„Ich liebe Sie“, sagte Gracila. „Ich wußte nur nicht, daß es Liebe ist, oder ich habe es vielleicht doch gewußt.“
Er sah sie an, und sein Blick war voll tiefem Schmerz.
„Lieben Sie mich denn wirklich?“ fragte sie wie ein Kind, das Angst hat, sich verhört zu haben.
„Ich liebe Sie so sehr, Gracila, daß ich wie in Stücke gerissen bin.“
„Aber – warum müssen Sie denn dann weg?“
„Weil ich Ihnen nichts zu bieten habe, Gracila.“
Sie stand da und sah ihn mit strahlenden Augen an.
„Ich weiß, was Sie denken, meine geliebte Gracila“, sagte Lord Damien nach einer Weile, „aber das ist völlig unmöglich. Wie kann ich Sie bitten, meine Frau zu werden? Bedenken Sie doch, was das für eine Heirat wäre!“
„Ich liebe Sie“, entgegnete Gracila schlicht, „und ich weiß jetzt, warum ich keinen anderen Mann habe heiraten können. Ich könnte nur Sie heiraten.“
„Das stimmt nicht“, sagte Lord Damien in scharfem Ton. „Natürlich werden Sie heiraten. Sie werden einen Mann heiraten, der Ihrer würdig ist.“
„Nie!“ entgegnete Gracila. „Nie werde ich einen Mann heiraten, den ich nicht liebe.“
„Sie sind so jung und verstehen die Liebe nicht so, wie ich sie verstehe. Eines Tages werden Sie mich vergessen haben.“
„Nie – nie werde ich Sie vergessen können. Sie sind der Mann, nach dem ich mich immer gesehnt habe. Ich habe gewußt, daß es irgendwo auf der Welt diesen Mann gibt. Von Ihnen habe ich geträumt, während ich in den Büchern von der Liebe gelesen habe. Aber jetzt sind meine Träume Wirklichkeit geworden, und Sie stehen hier vor mir.“
„Schluß!“ sagte Lord Damien streng. „So dürfen Sie nicht mit mir sprechen, Gracila. Sie dürfen mich nicht dazu bringen zu vergessen, daß ich noch eine Spur von Anstand besitze.“
„Sie haben gelitten“, sagte Gracila. „Aber ich kann Sie vielleicht glücklich machen.“
Lord Damien legte eine Hand über die Augen.
„Seien Sie doch vernünftig, Gracila“, sagte er. „Bedenken Sie, welches Leben Sie als meine Frau haben würden. Von allen anständigen Menschen geächtet, von Ort zu Ort ziehend und nie ein Zuhause.“
„Wir können doch hier leben“, sagte Gracila sanft.
„Und jede Tür in der ganzen Grafschaft verschließt sich vor uns? Mit dem Finger würde man auf Sie zeigen, sobald Sie auch nur das Haus verlassen.“
Er sah sie mit ernstem Gesicht an.
„Glauben Sie denn, meine Liebe zu Ihnen ist so schwach, daß ich lieber Sie opfern würde als mich selbst? Geliebte Gracila, ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie liebe, und das bedeutet, daß ich gehen werde. Morgen verlasse ich Barons 1 Hall wieder. Wenn ich vernünftig wäre, würde ich noch heute nacht losreiten.“
„Nein!“ rief Gracila. „Ich könnte das nicht ertragen. Ich will Sie nicht verlieren.“
Sie sah seine entschlossene Miene, und ihre Verzweiflung wuchs.
„Ich habe Ihnen nie gesagt“, fuhr sie fort, „warum ich hier bin, und Sie haben mich nie nach dem Grund gefragt.“
„Weil ich wollte, daß Sie Vertrauen zu mir haben, Gracila.“
„Ich habe Ihnen vertraut und vertraue Ihnen immer noch, aber ich will Ihnen mit meinem ganzen Leben vertrauen.“
„Bitte, sagen Sie, was Sie mir eben sagen wollten“, entgegnete Lord Damien, als wolle er von dem ablenken, was sie gerade ausgesprochen hatte.
„Ich bin Gracila Shering“, erklärte sie. „Mein Vater, der Graf Sheringham, war ein Freund Ihres Vaters.“
„Ich kann mich an ihn erinnern“, sagte Lord Damien.
„Meine Mutter starb, und mein Vater heiratete ein drittesmal. Ich habe meine Stiefmutter nie gemocht.“
Gracila fand es schwierig,
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