Blessed - Für dich will ich leben (German Edition)
winzigen Moment war ich enttäuscht, sehnte ich mich doch nach weiteren Liebkosungen, doch dann willigte ich ein. Eine Nacht in seinen Armen – was wollte ich mehr?
„Ich weiß, was du noch mehr willst.“ Sein Schmunzeln war unüberhörbar.
Oh Gott, nein!
Nun prustete er los.
„Sei still, du ... du ... was auch immer“, empörte ich mich. „Das ist total unverschämt von dir.“ Ich war zutiefst beschämt, aber Noah lachte so frei und ungehalten, dass ich ihm nicht lange böse sein konnte und schließlich mit einstimmte. Dann – so abrupt, dass ich im selben Moment mit ihm verstummte – brach sein Gelächter ab.
„Falls es dich beruhigt: Kein Gedanke, den ich nicht auch schon gehabt hätte“, flüsterte er bedeutungsschwer, direkt an meinem Ohr.
Na ja, beruhigt ist nicht wirklich das richtige Wort, vielen Dank auch!
M ein Atem ging schnell und flach, mein Herz raste. Noahs Herz hingegen ...
„Lass uns schlafen!“, forderte er erneut und demonstrierte seine Entschlossenheit, indem er sich auf den Rücken drehte. Zufrieden bettete ich meinen Kopf auf seine Brust und schloss die Augen.
„Du bist unglaublich, weißt du das?“ Sein Flüstern war das Letzte, was ich noch wahrnahm, bevor mein Bewusstsein abdriftete und mir entglitt.
Dass sich der Wunsch, dem ich nicht mal 24 Stunden zuvor durch mein Gedicht Ausdruck verliehen hatte, schon so schnell erfüllen würde, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Aber in dieser Nacht ließen No ah und ich jedes einzelne Wort davon wahr werden.
XXII .
Ich weiß nicht, wie ich es schaffte, all die Geheimnisse und Ungereimtheiten, die Noah mit sich brachte – seine Gabe Gedanken zu lesen, sein regelmäßiger Herzschlag, den nichts und niemand aus der Ruhe bringen konnte, seine Körpertemperatur, die immer mit meiner eigenen übereinstimmte ... all das –, als gegeben zu akzeptieren und nicht weiter zu hinterfragen. Im Rückblick kommt mir das selbst sehr eigenartig vor. Ich weiß nur, dass es mir egal war. Denn neben all den Besonderheiten und nach dem turbulenten Beginn unserer Bekanntschaft, hatte Noah vor allem eines in mein Leben gebracht: Eine tiefe innere Ruhe und Zuversicht. Ich war mir sicher – so sicher wie noch nie zuvor –, dass alles einen Sinn ergab. Wenn es heute noch nicht so weit war, dass ich ihn verstand, dann eben nicht. Das dachte ich mir an jedem Tag – und erlebte ihn, genoss ihn, brachte ihn hinter mich, ohne neue Erkenntnisse hinzuzugewinnen. Die Zeit des Verstehens würde schon noch kommen, sagte ich mir immer wieder. Denn mit einem Mal wusste ich – durch Noahs Nähe, wie es schien – dass es einen tieferen Sinn in meinem Leben gab. Der mochte zwar noch im Dunkeln liegen, aber ich spürte ihn bereits, wie ein vages Versprechen. Es war wie mit diesem ersten sanfteren Windstoß nach einem bitterkalten Winter, der die Ahnung eines herrlichen Frühlings in sich trug. In mir keimte eine leise Hoffnung, eine intuitive Zuversicht ... und das reichte voll und ganz.
Es reichte, um die folgenden Wochen zu den glücklichsten meines Lebens werden zu lassen.
Eine neue Art des Zusammenseins begann, als Noah mich eines Tages, etwa zwei Wochen nachdem wir sein Zimmer gestrichen hatten, in der Mittagspause nicht wie sonst unter der alten Buche auf dem Schulgelände erwartete, sondern direkt vor der Kantine. Mit einem verdutzten Gesichtsausdruck lief ich auf ihn zu, aber er griff nach meiner Hand und zog mich ohne ein klärendes Wort in den großen Raum. Bestimmt war er sehr nervös . Zumindest kam er mir etwas unbeholfen vor, als er sich ein Tablett schnappte und es offenbar wahllos belud, aber ich konnte keine übermäßige Verspannung an ihm feststellen.
Lucy, die wenig später neben Adrian die Kantine betrat, blieb wie angewurzelt vor unserem Tisch stehen und gaffte ihren Bruder sekundenlang an. Auch Adrians Mund stand weit offen; fassungslos schüttelte er den Kopf – vermutlich, ohne es überhaupt zu bemerken.
Noah hingegen ließ sich nicht beirren und aß in aufgesetzter Ruhe weiter. „Was ist, setzt ihr euch?“, fragte er scheinbar beiläufig und verhalf seinen Geschwistern damit aus ihrer Starre.
Kathy und Tom gesellten sich ebenfalls zu uns. Tom vermied es anfangs , mit Noah zu sprechen; Kathy öffnete sich umso schneller und bezog Noah einige Male in das Gespräch mit ein, indem sie ihm gezielte Fragen stellte. Gott sei Dank war Tom von Natur aus zu gutmütig um lange skeptisch zu bleiben.
Am Ende der Mittagspause
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