Blick in Den Abgrund -3-
Mit dem stummen Befehl, ihre Überlegenheit anzuerkennen, sah sie ihm in die Augen.
Doch das tat er nicht. Sich unter ihr windend und aufbäumend stieß er zu, doch seine Augen hielten ihrem Blick stand, hell und wild funkelnd und absolut unbesiegt.
Und noch immer blieb ihr der Höhepunkt versagt. Sie kam ihm so nahe, wartete mit klopfendem Herzen nur darauf, in diesem Quell dunklen Vergessens zu ertrinken, als er ihr plötzlich entglitt. Er verflüchtigte sich, und der Mann schaute zu ihr hoch, in seinen Augen ein Glitzern voll hinterhältiger Belustigung. Er tat es absichtlich.
Verdammt sollte er sein! Das hier war grotesk. Dies war ihre Fantasie, die sich ausschließlich in der Privatheit ihres Kopfes abspielte, und er hatte nicht das Recht, sich einzumischen.
Nur dass es jetzt mehr als eine Fantasie war. Es glich eher einer Art Trance oder einem Wachtraum, der eine verrückte Eigendynamik entwickelte. Sie schaffte es nicht, ihn zu dirigieren oder zu befehligen. Sie fasste nach dem Messer, das in den prunkvollen Bettvorhängen versteckt war, und hielt es gerade lange genug ruhig in der Hand, um dieses verschlagene Funkeln in seinen Augen zu verscheuchen und zu sehen, das es einem Ausdruck argwöhnischer Verunsicherung Platz machte.
Sie lehnte sich nach hinten und durchtrennte die Seidenkordeln, die seine Knöchel fixierten … eins, zwei. Sie beugte sich über ihn, bis ihre Brüste sein Gesicht berührten, und zerschnitt die Fesseln um seine Handgelenke. Sie setzte sich zurück und ließ seinen Penis so tief wie möglich in ihren Körper gleiten. Dann legte sie das Messer auf die Kissen neben seinem Kopf, wo er es jederzeit erreichen könnte.
Die Entscheidung lag ganz bei ihm. Sie betrachtete sein überraschtes Gesicht.
Der paralysierte Teil ihres Bewusstseins hinter den umherwirbelnden Traumbildern war fassungslos. Hatte sie den Verstand verloren? Verdiente sie noch nicht mal den irrealen Luxus, in einer billigen Sexfantasie das Sagen zu haben?
Die Fantasie gewann an Tempo. Er legte seine großen Hände um ihre Hüfte und rollte sie mit einem Knurren aus den Tiefen seiner Kehle auf den Rücken. Er nahm sie unter seinem gewaltigen Körper gefangen und stieß tief und unbarmherzig in sie hinein.
Seine entfesselte Lust entfesselte ihre und trieb sie in ungeahnte Höhen.
Als sie wieder zu Sinnen kam, waren die letzten Zuckungen der erlebten Ekstase noch immer am Abklingen. Benommen rang sie nach Luft.
Sie war noch immer allein in ihrem Bett. Allein in ihrem gescheiterten Leben. Erfüllt von einer Traurigkeit über den Verlust von etwas, das sie niemals besessen hatte.
Was war sie doch für eine Idiotin. Sich selbst mit ihren Fantasien zu quälen. Sie kämpfte gegen die Tränen an. Sie hatte schon genug für ein ganzes Leben geweint.
5
Marcus Worthington verspürte Mordlust.
All die Jahre akribischer Konditionierung, die er seinem jüngeren Bruder Faris antrainiert hatte – ausgelöscht wie von einem bösartigen Computervirus.
Und das Ganze war dieser Callahan-Schlampe zu verdanken.
Er konnte es kaum erwarten, die Frau endlich tot zu sehen, nur dass ein enttäuschter Faris zu allem fähig war. Wenige Leute wussten von Faris’ einzigartigen Fähigkeiten und den enormen Risiken, die damit einhergingen. Bisher hatte Marcus jede Willensschlacht für sich entschieden, dennoch war er besorgt.
Wenn Marcus so aufgebracht war wie jetzt, konnte er sich einzig dadurch beruhigen, dass er in seinem Labor arbeitete und sich mit dem vergnügte, was Priscilla, die vierte und schlimmste Ehefrau seines verstorbenen Vaters, seine »Spielzeuge« nannte. Sie würde schon bald erfahren, wie sehr sie sich in ihm täuschte. So wie sein Vater es herausgefunden hatte und die Frau, die Priscilla vorausgegangen war, ebenfalls. Am Ende hatten sie es alle gesehen.
Aber Priscilla würde eine ganz besondere Lektion erteilt bekommen.
Vorsichtig löste Marcus den gallertartigen Positivabdruck von Dr. Driscolls Hand aus der Gussform. Sein wundersamer Einfall, ein leichenfahles Grün als Grundton für die Hand zu wählen, erheiterte ihn, soweit er in seinem derzeitigen mentalen Zustand zu Heiterkeit fähig war. Er justierte das Licht, um die Fingerabdrücke genauer in Augenschein nehmen zu können. Die Schleifen, Bögen und Windungen waren so gut nachgebildet, dass sogar das winzige Muster der Schweißdrüsen auf jeder Furche erkennbar war. Nicht perfekt, jedoch absolut ausreichend für die Parameter des Sensors.
Er drückte
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