Blinde Seele: Thriller (German Edition)
zwischen den Schwestern schweben.
Dann fragte er:
»Wo ist Billie Smith?«
117.
27. Mai
Kurz nach Mitternacht war Martinez draußen auf der Foster Avenue.
Alles war still.
Sams Saab parkte ein Stück entfernt von Toni Petits Haus. Martinez überlegte, ob er einfach hier draußen abwarten, an die Tür klopfen oder die Polizei von Hallandale verständigen sollte.
Gegen Toni Petit lag kein Haftbefehl vor.
Andererseits gab es, soweit er hatte feststellen können, ohnehin keinen Nachweis ihrer Existenz.
Er beschloss, sich ein bisschen umzusehen, als sein Handy summte.
Mary Cutter war am Apparat. Sie sagte ihm, sie hätte einen Anruf von Dr. Lopez bekommen.
»Die Sprechstundenhilfe hat ihn angerufen. Sie sagte, sie sei gestern Abend noch lange aufgeblieben und hätte sich zu erinnern versucht, wer noch da gewesen sei, als Felicia Delgado so wütend auf Beatriz wurde. Und dann sei ihr auf einmal wieder eingefallen, dass zwei andere Leute gleich nach den beiden hinausgegangen sind.«
»Und daran hat sie sich eben erst erinnert?«, fragte Martinez bissig.
»Unglaublich, was?«, sagte Cutter.
Martinez hielt den Blick auf das Haus geheftet. »Und wer waren die beiden?«
»Eine von ihnen war eine Patientin, die zu einer Gynäkologin wollte. Die Sprechstundenhilfe vermutet, dass die andere Frau nur mit ihr zusammen gewartet hat und nicht selbst zu einem Arzt wollte.«
»Wie hieß diese Patientin?«
»Toni Petit.«
»Scheiße«, fluchte Martinez. »Kannst du dir vorstellen, dass ich eben erst ihr Autokennzeichen für Sam überprüft habe?«
»Wieso das denn?«, fragte Cutter.
»Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich in diesem Augenblick vor ihrem Haus sitze?« Martinez hielt einen Moment inne. »Und Sam ist drinnen.«
»Reden wir hier von einer möglichen Verdächtigen, Al?«
»Ich weiß nicht, wovon wir reden«, sagte Martinez.
Und dann sah er etwas.
Jemanden .
Im Dunkeln, an der Seite des Hauses.
Eben noch da, und schon wieder verschwunden.
»Was, zum Teufel …«, murmelte Martinez, beendete das Gespräch, riss sein Telefon vom Armaturenbrett und schaltete den Klingelton stumm.
Ganz leise öffnete er die Autotür und zog seine Waffe.
118.
»Billie Smith geht es gut«, antwortete Kate Petit auf Sams Frage.
»Wo ist sie?«, fragte er noch einmal.
Er starrte auf die Waffe in Kates Hand. Er war sich nicht sicher, ob sich Kates Anspannung löste. Es konnte ebenso gut sein, dass ihr die Sicherungen durchbrannten und dass sie abdrückte.
»Sie liegt schön zugedeckt im Bett und wartet«, sagte Kate.
Die hübsche junge Frau mit den umwerfenden Augen und der hinreißenden Stimme, die ihn um Hilfe gebeten hatte und von ihm abgewiesen worden war.
Meine Schuld, schoss es Sam durch den Kopf. Das ist allein meine Schuld.
Wenigstens war sie am Leben, falls das Wimmern, das er gehört hatte, von ihr gekommen war. Und falls diese beiden Frauen Billie tatsächlich gefangen hielten, erklärte allein das schon die Veränderung an Toni. Denn ganz gleich, ob Kate Petit der Black-Hole-Killer war oder nicht – was immer mit Billie Smith war, ging Toni nahe. Außerdem musste sie gewusst haben, dass sie und ihre Schwester erledigt waren.
»Okay«, sagte Sam, um einen ruhigen Tonfall bemüht. »Dann müssen wir sie jetzt als Erstes gehen lassen.«
»Falsch«, sagte Kate.
Toni schwieg. Sie schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein; vielleicht war sie wieder auf ihrer alten Farm in Louisiana, vielleicht auch bei den Opfern.
Den Opfern ihrer Schwester.
Dann ging auf einmal alles drunter und drüber.
Kate erhob sich vom Schemel, schwankte fast unmerklich.
Sie durchquerte das kleine Zimmer, die Waffe noch immer auf Sam gerichtet, und setzte sich wieder, kauerte sich auf eine Sofalehne.
»Hey«, sagte sie. »Große Schwester.«
Toni Petit sah zu ihr hoch.
»Hier«, sagte Kate.
Und dann, ganz vorsichtig, das Ziel immer unter Kontrolle, drückte sie ihrer Schwester den Colt in die Hände.
»Erschieß ihn«, sagte sie.
Sam sah das Entsetzen in Tonis Augen.
»Nein«, sagte sie.
Sam stockte der Atem. Zu seinem Entsetzen erkannte er, dass die Bedrohung gegen ihn sich soeben verstärkt hatte: Auf einmal sah Toni gar nicht mehr erschöpft aus. Auf einmal schien sie beflügelt von der Anspannung.
»Du musst ihn erschießen, Toni«, sagte Kate. »Das weißt du doch.«
»Das weiß ich überhaupt nicht«, entgegnete Toni, auch wenn ihr Griff um die Waffe etwas völlig anderes sagte. »Muss ich
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