Blinde Verführung (German Edition)
sagte eine der Kellnerinnen und deutete auf die Pfirsichtorte. „Eins davon, und einmal dunkle Erdbeere bitte.“
Heidi salutierte übermütig. Sie und Marlene richteten die Torte an und servierten sie einem älteren Paar. Da nicht viel los war, ließen sie sich in ein sehr nettes Gespräch verwickeln, und dann kam die nächste Bestellung, und die nächste, und ehe Marlene es sich versah, waren die ersten beiden Torten weg und der Nachschub wanderte nach vorn in den Schaukasten.
„Sieht so aus, als müsstest du morgen mehr machen“, meinte Kelly, die wie ein Geist an ihrer Seite erschien. „Keinen interessiert es, dass du nur für zwei Wochen da bist. Mich hat eben schon jemand gefragt, ob du auch Geburtstagstorten und solche Sachen machen könntest. Und ob es eine Ansichtsmappe gibt.“
„Ich habe eine“, erwiderte Marlene. Ihr wurde ganz warm von dem Lob. „Ich hole sie heute Abend, wenn meine Wohnung noch steht.“
„Super! Ihr könnt euch in einer Stunde vom Acker machen, aber vorher unterschreibt ihr mir die Verträge.“ Kelly schlang Marlene einen Arm um die Taille. „Und stoßt mit mir an. Okay?“
„Sehr gern.“
„Gut, dann bis gleich.“
Die letzte Stunde verging wahnsinnig schnell. Marlene schaffte es gerade so, ihre Einkaufsliste fertig zu schreiben und sich zu notieren, was sie aus dem Laden an Material holen wollte. Eigentlich hatte sie schon Teig vorbereiten wollen, aber durch die vielen Kunden, welche die geheimnisvolle, neue Konditorin kennen lernen wollten, schaffte sie es nicht.
Die Vertragsunterzeichnung kurz bevor sie gingen, fand auf einer unbesetzten Thekenfläche der Bar statt und entsprach ganz Marlenes Eindruck, den sie von Kelly gewonnen hatte. Die junge Küchenchefin war pragmatisch und straff organisiert, was die Arbeit anging, aber sobald es ums Vergnügen ging, war sie offenbar leicht zu begeistern und legte keinen Wert auf Fanfaren.
Einige Gäste sahen ihnen sichtlich neugierig bei der Unterzeichnung zu. Kelly fiel das gar nicht auf. „Mädels, ich freue mich, dass ihr hier seid und euch den Wahnsinn antut. Prost, auf eine gute Zusammenarbeit“, sagte sie fröhlich.
Heidi und Marlene hoben ihre Gläser. „Cheers!“
Sie stießen an und Marlene seufzte wonnig beim prickelnden, sinnlichen Geschmack von Champagner und Granatapfelsaft.
„So, und jetzt ab nach Hause mit euch. Ich brauche euch beide morgen frisch und munter. Neun Uhr!“
Lachend leerten sie ihre Gläser, dann zog Heidi Marlene schon nach draußen.
„Mann, ich liebe ihren Laden“, rief sie über die laute Radiomusik. „Hast du das Gratin probiert? Ein Traum! Oder die Bohnen im Speckmantel? Die waren echt der Renner!“
Marlene schüttelte den Kopf. „Ich habe mich an Salat gehalten. Es war so heiß in der Küche, ich habe sonst nichts runtergekriegt.“ Sie erinnerte sich an ihr Versprechen. „Du, Kelly hat mich gebeten, mein Portfolio mitzubringen. Können wir kurz an meiner Wohnung vorbeifahren?“
„Na klar, kein Problem.“
Beschwingt rauschten sie durch die Stadt, die Musik laut aufgedreht. Marlene schrieb Marco sicherheitshalber eine SMS und fragte nach dem Stand der Dinge. Seine Antwort war ernüchternd, niemand hatte etwas von Evelina gesehen oder gehört. Aber die Wohnung war schon gesichert und sie bekam gleich den Code für die Alarmanlage mitgeschickt.
Heidi begleitete sie nach oben und schloss mit ihrem Notfallschlüssel auf. Sie wollte nichts davon hören, lieber auf ihr Auto aufzupassen.
„Jemand muss dir beim Packen helfen. Du glaubst doch nicht, dass ich dich deine kleinen Schätze hier rumliegen lasse?“, fragte sie, und damit war das Thema vom Tisch.
Gemeinsam holten sie Marlenes restliche Rezeptnotizen, noch mehr Kleidung, Schuhe, und ein paar Fotoalben, darunter auch das Portfolio ihrer besten Kreationen. Heidi suchte, bis sie eine der kleinen Überwachungskameras gefunden hatte und winkte aufgekratzt.
„Oh nein, komm, das ist peinlich!“, lachte Marlene. „Lass uns lieber nach Hause gehen, ich habe Hunger.“
„Spielverderberin. Was gibt’s zu essen?“
Sie einigten sich auf Pitabrot mit Hummus, Salat und einen kleinen Berg Falafel und sahen sich dazu bei offener Balkontür und einem mit Gin veredelten, selbstgemachten Eistee Pretty Woman an.
„Das ist genau der Grund, warum ich Mädelsabende mit dir liebe“, sagte Heidi, während Richard Gere Julia Roberts auf dem Piano vernaschte. „Immer wenn wir das machen, fühlt es sich wie ein Urlaub
Weitere Kostenlose Bücher