Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
Vom Netzwerk:
geblieben waren.
    Anne ließ ihn nun doch eintreten. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Anne schaltete ihn aus und bat Lutz, Platz zu nehmen. Lutz wählte den Sessel, auf dem er schon einmal gesessen hatte.
    »Mögen Sie vielleicht ein Glas Bier?« erkundigte sich Anne.
    Lutz lehnte solche alkoholischen Angebote im Dienst grundsätzlich ab, akzeptierte allenfalls mal eine Tasse Kaffee oder lieber noch ein Glas Tee. Er war jetzt im Dienst, das war klar, aber die Dienstzeit war längst um, und so beschloß er, eine Ausnahme zu machen. Das Problem war nur, daß er Bier eigentlich gar nicht mochte. »Danke«, sagte er, »sehr gerne. Ein Schluck Wein wäre mir allerdings lieber. Aber nur, wenn Sie etwas da haben, Sie müssen wegen mir nicht extra eine Flasche öffnen.«
    Anne nickte. Ihr Mann hatte sich am Abend zuvor eine Flasche genehmigt, und sie hoffte, daß er noch etwas übriggelassen hatte. »Wenn Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen wollen«, meinte sie und ging aus dem Zimmer.
    Lutz sah sich um. Die Einrichtung war gediegen, hier würde er sich auch wohl fühlen. Eine Vitrine fiel ihm auf, die mit Schneekugeln von unterschiedlichster Herkunft vollgestopft war. Wer sammelte die? Sie oder er oder beide gemeinsam? Gab es vielleicht Rituale, bestimmte Anlässe, zu denen sie sich diese Dinger schenkten, oder waren sie nur die zufälligen Ergebnisse verschiedener Flohmarktbesuche? Lutz mußte sich bremsen. Solche Gedanken würden ihm nur einmal mehr vor Augen führen, wie unergründlich die menschliche Seele doch war. Er sollte sich besser auf das konzentrieren, was er die Kronbecks fragen wollte. Und da fiel ihm auf, daß Herr Kronbeck noch gar nicht aufgetaucht war.
    »Ihr Mann ist wohl schon zu Bett gegangen?« fragte er Frau Kronbeck, als sie mit einem Tablett in der Hand zurückkam. Sie stellte das Tablett, auf dem sich eine angebrochene Weinflasche, ein Weinglas und ein Glas mit Orangensaft, den Anne in der Küche kurz entschlossen mit einem Schuß Cointreau aufgebessert hatte, sowie eine Schale mit Nüssen zum Knabbern befanden, auf den Couchtisch und setzte sich auf das Sofa, bevor sie antwortete: »Nein, Max hat heute seinen Stammtisch.«
    Eine kaum wahrnehmbare Röte flog kurz über ihr Gesicht. Jetzt wußte der Kommissar, daß sie beide allein in der Wohnung waren, und sie hoffte, daß ihn das nicht auf dumme Gedanken bringen würde. Schon bei seinem ersten Besuch hatte er ihr schöne Augen gemacht. Sie hatte das zwar nicht bemerkt, aber Max hatte es am Tag nach dem großen Gewitter behauptet, das ihr aus verschiedenen Gründen in schlechter Erinnerung geblieben war. Seit dem Gewitter war Max unausstehlich, und was auch immer seine Gründe waren, mußte er seine schlechte Laune stets an ihr auslassen.
    Lutz griff, als habe er ihre Verlegenheit nicht bemerkt, zu der Flasche und betrachtete das Etikett. Ein Trollinger aus Fellbach. Lutz zog anerkennend die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel nach unten und dachte, als er sich einschenkte, daß dieser Kronbeck den gleichen Geschmack hatte wie er. Das wollte er jetzt Frau Kronbeck sagen, aber dann wurde ihm eingedenk ihrer Verlegenheit plötzlich bewußt, daß sie seine Worte mißverstehen könnte. Gerade noch rechtzeitig hielt er inne, und nun war es an ihm, verlegen zu sein. Eine verfahrene Situation! Und da sollte er jetzt auch noch mit ihr über Liebhaber, Ehebruch und die Folgen reden, die sich daraus ergeben können.
    »Sie sagten vorhin etwas von Unklarheiten«, erinnerte Anne den Kommissar. Sie nahm ihr Saftglas in die Hand und prostete Lutz zu. Lutz griff nach seinem Glas, führte es zum Mund, probierte einen Schluck und verzog abermals anerkennend das Gesicht. Anne nippte währenddessen an ihrem Saft. Sie trank so gut wie keinen Alkohol, und deshalb spürte sie die Wirkung der winzigen Zugabe von Orangenlikör sofort. Lutz stellte sein Glas zurück und sah Frau Kronbeck prüfend an.
    »Ja«, begann er dann zögernd, »mir ist unklar, warum Sie mir nicht gesagt haben, daß Frau Däubler einen Liebhaber hatte.«
    »Weil Sie mich nicht danach gefragt haben!« versuchte Anne sich zu rechtfertigen. Wieder stieg ihr die Röte ins Gesicht, aber diesmal konnte sie sich darauf herausreden, daß es eine Folge des ungewohnten Alkohols war. »Außerdem wollte ich das Andenken von Frau Däubler nicht schädigen«, fügte sie hinzu, »wo sie gerade auf so schreckliche Weise ums Leben gekommen war.«
    »Sie wußten also, daß Frau Däubler einen Geliebten

Weitere Kostenlose Bücher