Blinde Wut
gehabt hätten.
Wagner schloß daraus, daß Lutz bereits wußte, was im Atlantis vorgefallen war, und hätte zu gern gewußt, wer Lutz bei seinem dienstlichen Einsatz in der Grillparzerstraße 14 das Veilchen verpaßt hatte. Aber Frau Däubler-Korth ließ sie jetzt eintreten, führte sie in das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer und wandte sich an Lutz mit der Frage: »Wie geht es Bernhard? Was hat er Ihnen gesagt?«
»Es geht ihm den Umständen entsprechend«, erwiderte Lutz, »aber er ist noch nicht ansprechbar.«
Frau Däubler-Korth nickte, und Lutz sah sie aufmerksam an. Sie war eine attraktive, vielleicht etwas mütterlich wirkende Frau. Lutzens prüfender Blick schien sie zu stören, und sie fing an, den Kommissar mit ähnlichen Blicken zu mustern, was Lutz unangenehm zu sein schien.
»Ich möchte von Ihnen wissen«, fuhr er deshalb schnell fort, »was für ein Mensch Herr Däubler ist.«
»Das ist nicht gerade eine einfache Frage«, gab Frau Däubler-Korth zu bedenken.
»Sein Schwager hält ihn schlicht und einfach für einen Idioten«, meinte Wagner und wollte ihr damit auf die Sprünge helfen. Sie lachte auf und schüttelte den Kopf. »So würde ich das nicht sehen.«
»Erzählen Sie mir von Ihrer Ehe mit Bernhard Däubler«, mischte Lutz sich jetzt ein. »Wie hat sie angefangen, wie aufgehört?«
Frau Däubler-Korth sah nachdenklich vor sich hin. Dann gab sie sich einen Ruck und fing leise und ein wenig monoton zu reden an: »Bernhard war gerade mal zwanzig, als wir uns kennenlernten. Ich war da schon in Amt und Würden… als Inspektorin beim Finanzamt. Vielleicht haben Sie bemerkt, daß ich ein paar Jahre älter bin als er?«
Lutz tat, als habe er das nicht bemerkt, was Wagner zu ärgern schien: was sollte dieses Balzgehabe? Natürlich ist sie älter, das sieht doch jeder, mindestens fünf Jahre.
»Doch«, fuhr Frau Däubler-Korth fort, »immerhin acht Jahre. Bernhard hatte damals noch studiert…« Sie lachte bei der Erinnerung auf. »Sie können sich gar nicht vorstellen, was er alles nach dem Examen machen wollte! Er hatte lauter verrückte Ideen. In Gedanken war er immer weit fort. Südamerika, Indien, Afrika… In Brasilien wollte er Straßen bauen. Ganze Städte hat er geplant. Und die Sahara wollte er bewässern. Es war faszinierend, was er sich alles ausgedacht hatte. Nur das Examen hat er immer wieder hinausgeschoben. Es war gar nicht so einfach, ihn dazu zu bringen, daß er es schließlich doch noch machte. Vielleicht war das ein Fehler.«
Lutz sah sie fragend an. Frau Däubler-Korth überlegte, mit welchen Worten sie dem Kommissar am besten klarmachen konnte, was sie unter diesem Fehler verstand.
»Wissen Sie«, fuhr sie dann fort, »Bernhard hat seine Mutter früh verloren. Mit seinem Vater hat er sich nie richtig verstanden. Und in mir hat er so etwas wie einen Mutterersatz gesucht – und auch gefunden. Nach dem Examen ist er dann erwachsen geworden. Mich hat er nicht mehr gebraucht.«
»Und seine verrückten Ideen?« fragte Lutz.
»Die hatte er vergessen. Plötzlich ging es ihm nur noch darum, so schnell wie möglich viel Geld zu verdienen. Bei einer Baufirma, die eines Tages Pleite ging.«
In ihrer Stimme klang so etwas wie Bitterkeit mit, und als sie sich dessen bewußt wurde, lachte sie kurz auf und änderte ihren Tonfall. »Innerlich hatte er sich jedenfalls von mir gelöst. Wir haben dann noch ein paar Jahre nebeneinanderher gelebt, aber eine Ehe hat man das eigentlich nicht mehr nennen können.« Sie seufzte bei der Erinnerung an diese frustrierende Zeit auf. »Na ja, und dann tauchte eines Tages Marion auf. Ihr Vater hatte ihm den Job bei der städtischen Verkehrsplanung besorgt. Ich hab ihn dann nicht mehr länger halten wollen.
Das hätte ich sowieso nicht gekonnt. Wir sind in beiderseitigem Einvernehmen geschieden worden.«
»Wann war das?« wollte Lutz wissen.
»Vor gut sieben Jahren.«
»Und dann haben Sie Ihren Mann, ich meine, Herrn Däubler, aus den Augen verloren?«
Frau Däubler-Korth lachte auf. »Wo denken Sie hin? Wir haben den Kontakt nie ganz abbrechen lassen. Wir haben ab und zu miteinander telefoniert, und manchmal ist Bernhard auch mit seiner neuen Familie bei mir vorbeigekommen, besonders als Christian dann da war.«
»Glauben Sie, daß Däublers zweite Ehe glücklich gewesen ist?« erkundigte sich Lutz.
Frau Däubler-Korth dachte kurz nach, nickte und meinte vage: »Doch…«
»Können Sie sich vorstellen, daß Marion Däubler einen
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