Blinde Zeugen: Thriller
Mann.«
»Ihr Sohn, Mrs. Gilchrist?«
»Hmm? Ricky?« Sie schien sie aus sehr weiter Ferne anzustarren. »Oh, der ist bestimmt in seinem Zimmer.« Sie deutete auf eine Tür mit einem kleinen Totenkopf-Aufkleber. »Möchten Sie vielleicht ein Tässchen Tee?«
Logan drückte die Klinke – die Tür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie und erblickte ein schäbiges kleines Schlafzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, aber ein riesiger Fernseher tauchte das zugemüllte Zimmer in flackerndes rötliches Licht: benutzte Teller, Berge von Schmutzwäsche, ein kleiner Stapel Zeitungen, ein paar Erotikmagazine, Laptop, Monitor und Drucker. Aus einem CD-Spieler auf dem Bücherregal wummerte etwas, das entfernte Ähnlichkeit mit Musik hatte.
Ricky Gilchrist, dem das Zimmer gehörte, lümmelte auf einem Sitzsack vor dem Fernseher. Kopfhörer auf den Ohren, die Hose bis zu den Knöcheln heruntergelassen, beackerte er einhändig seine Erektion.
Neben der Tür war ein Lichtschalter. Logan knipste ihn an, und strahlend weißes Licht flutete den Raum, einen Augenblick später gefolgt von einem gellenden Schrei, als Ricky von seinem Sitzsack aufsprang und den riesigen Fernsehbildschirm mit seinem halbnackten Körper zu verdecken suchte. Seine Haut hatte die Farbe von Joghurt, gesprenkelt mit dunkelroten Sommersprossen, und die Rippen traten deutlich hervor. Er zerrte hektisch an seiner Hose und rief: »Herrgott, Mum, du darfst hier nicht rein!«
Logan zückte seinen Dienstausweis. »Zeugen Jehovas – wir haben Hinweise darauf, dass Sie sich möglicherweise ungehörigen Gedanken hingeben.«
Ricky fuhr so schnell herum, dass sein Schwanz im Fahrtwind schlenkerte, eingebettet in ein orangerotes Dickicht aus Schamhaaren. »Sie … was … NEIN!« Er bedeckte seine Blöße, blieb aber vor dem Fernseher stehen. Dann nahm er seine Kopfhörer ab. »Sie dürfen hier nicht reinkommen, dazu haben Sie kein Recht!«
»Detective Sergeant Logan McRae, Grampian Police.« Logan versuchte nicht hinzusehen, als Ricky seinen Reißverschluss hochzog. »Ich gebe Ihnen nicht die Hand, wenn’s recht ist.«
Rickys bleiches Gesicht lief knallrot an. »Ist schließlich nicht verboten, oder? Das ist meine Privatsache … Unverletzlichkeit der Wohnung … Ich werde Sie verklagen.«
»O ja, lassen Sie uns alle vor den Kadi ziehen, und dann können Sie den Geschworenen erzählen, wie wir reingeplatzt sind, als Sie sich gerade einen runtergeholt haben. Ist bestimmt sehr vorteilhaft für Ihren Ruf.« Er lehnte sich an den Türpfosten. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie polnische Mitbürger belästigt haben, Ricky. Sie sollen Ihnen nach der Messe nach Hause gefolgt sein und sie schikaniert haben.«
Der junge Mann zog ein T-Shirt über seine klapperdürre Brust. »Das sind Lügner. Alles verdammte Lügner.« Er zeigte auf sein Gesicht, wo noch letzte Spuren eines verblassten Veilchens zu sehen waren. »Sie haben mich geschlagen. Ich wurde angegriffen. Eigentlich sollte ich Anzeige erstatten!«
Aber Logan hörte ihm schon nicht mehr zu – als Ricky sich bückte, um nach seinem T-Shirt zu greifen, hatte Logan einen ungehinderten Blick auf den Fernsehbildschirm gehabt. Er erkannte Krystka Gorzałkowska sofort – die Frau, die Guthrie aus Versehen angeschossen hatte. Sie war auf den Knien, biss sich auf die Lippen, um nicht laut schreien zu müssen. Tränen liefen ihr übers Gesicht, während die beiden Männer hinter ihr ungerührt ihre Nummer abzogen. Krystka war nackt, die Männer aber trugen billige Halloween-Masken – eine Bulldogge und ein Schäferhund.
Logan packte das Kopfhörerkabel und riss es aus der Buchse.
»He, Sie können doch nicht einfach –«
Eine Männerstimme dröhnte aus den Lautsprechern des Fernsehers: » Das gefällt dir, du Schlampe, was? Hm? « Ein schallender Schlag. » So ist’s richtig, wir besorgen’s dir, du dreckige Hure! «
Krystka ließ einen Schluchzer entweichen, aber das schien die Männer nur noch mehr zu erregen. » Ja, du stehst auf so was! Sag’s mir, du Schlampe, SAG’S MIR! «
»Wo haben Sie das her?«
Ricky grabschte nach der Fernbedienung, und der Bildschirm wurde schwarz. »Man wird sich doch wohl noch amüsieren dürfen, okay? Das ist Privatsache. Sie können nicht einfach –«
Logan versetzte Ricky einen harten Stoß, sodass er auf den Sitzsack zurückfiel. »Sie wird vergewaltigt! Ist das Ihre Vorstellung von ›Amüsement‹? Wie?«
Ricky wich seinem Blick aus; seine Stimme wurde
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