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Blinde Zeugen: Thriller

Titel: Blinde Zeugen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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hervor.
    Samantha. Woher hätte er wissen sollen, dass sie ganz oben an den Innenseiten ihrer Oberschenkel Narben hatte? War er vielleicht ein Hellseher? Er rutschte auf seinem Sitz hin und her. Und überhaupt, wie schaffte man es, an dieser Stelle Narben zu bekommen?
    Die Studentin schaute auf und sah, dass er ihre tätowierte Brust anstarrte. Ihre Blicke trafen sich, und Logan schlug verlegen die Augen nieder. Na toll, jetzt musste sie glauben, er sei ein Perverser.
    » Bilet .«
    Logan blickte auf. Ein offiziell aussehender Typ in dunkelblauer Uniform stand vor ihm.
    »Ähm …«
    Jaroszewicz kramte in ihrer Handtasche. »Er will Ihren Fahrschein sehen.«
    »Ah, okay …«
    Der Schaffner machte die Runde durch ihr kleines Abteil und stempelte die Tickets, um dann wieder auf den Gang hinauszutreten und die Glastür hinter sich zuzuziehen. Kaum war er weg, stand Jaroszewicz auf und begann wie ein Maschinengewehr auf Polnisch auf die Studenten einzureden.
    Sie beschwerten sich, aber das schien sie nicht zu kümmern. Sie zog einen Polizeiausweis aus der Tasche und zeigte ihn den Studenten, und dann redete sie noch eine Weile auf sie ein.
    Die Studenten standen auf und schlurften unwillig zur Tür hinaus, nicht ohne böse Blicke über die Schultern zu werfen und » Kurwa, komucha …« vor sich hin zu murmeln.
    Jaroszewicz wartete, bis sie die Tür hinter sich zugezogen hatten, ehe sie ihre Tasche aus dem Gepäcknetz zog und sich grinsend wieder auf den Sitz fallen ließ. »Sie sagen, ich bin eine Kommunistenhure.« Sie zog eine dicke grüne Aktenmappe aus ihrer Tasche und reichte sie Logan. »Das ist alles, was ich finden konnte.«
    Logan streifte den Gummi ab, der die Mappe zusammenhielt, und schlug sie auf. Ganz vorn war ein Packen Fotos eingeheftet – alles drastische Nahaufnahmen entstellter Gesichter. Die meisten waren noch vor der Einlieferung ins Krankenhaus entstanden, und bei dem Anblick schlingerte Logans Magen im Takt mit dem Zug auf den Schienen. Die Verletzungen waren identisch mit denen der Aberdeener Opfer – Ricky Gilchrist hatte den Modus Operandi perfekt kopiert.
    Er blätterte weiter und fand Dutzende von Berichten, Zeugenaussagen und Vernehmungsprotokollen … Irgendwo in diesem Wust musste die Verbindung zwischen Gilchrist und dem Kerl, der diese armen Schweine verstümmelt hatte, zu finden sein.
    Und Logan konnte kein Wort davon lesen.

42
    Aus den Zugfenstern sah man nur Felder und Bäume. Ab und zu kamen sie an einem Dorf vorbei – kaum mehr als eine Handvoll Häuser mit Holzschuppen und Scheunen, die sich resigniert zu ducken schienen. Hühner staksten im Matsch umher.
    Eine Stunde hinter Warschau hatte der Regen aufgehört, doch die Landschaft lag immer noch unter einer schweren grauen Wolkendecke.
    »Und das war der Letzte.« Jaroszewicz tippte auf die Akte, die Logan in der Hand hielt. »Ein Bäcker aus Sromowce Ni z ˙ ne. Zweimal wegen Drogenhandels verhaftet. Sie fanden ihn in der Garage, sechs Monate, nachdem er geblendet worden war. Er hatte sich erhängt.«
    Eine Kopie seines Abschiedsbriefs war beigeheftet, dazu ein Polizeifoto der Leiche, die von einem Deckenbalken baumelte.
    Logan steckte beides in die Mappe zurück. »Dreiundzwanzig Opfer seit 1974. Wenn es also ein und derselbe Täter ist, dann muss er jetzt so um die … Mitte fünfzig, Anfang sechzig sein, oder?«
    » Wenn es derselbe Täter ist.« Jaroszewicz nahm ihm die Mappe ab und steckte sie wieder in ihre Tasche. »Vor 1989 waren alle unsere Opfer Dissidenten, und seit 1989 sind es alles Kriminelle.« Sie klappte ihre Tasche zu und hievte sie ins Gepäcknetz. »Ich glaube, dass die Leute, die dahinterstecken, nur nachahmen, was unter dem Kommunismus passiert ist. Es ist eine Warnung an alle, die nicht tun, was man ihnen sagt. Hier in Polen haben wir es nicht mit einem Serientäter zu tun, sondern mit brutaler Bandenkriminalität.«
    Um Viertel nach acht saßen sie im Speisewagen, wo die vertriebenen Studenten ihnen böse Blicke zuwarfen. Jaroszewicz saß mit dem Rücken zu ihnen an einem der fünf langen Tische, die von einer Längswand des Waggons in den Raum ragten, sodass nur ein schmaler Durchgang für die Kellnerin blieb, die das Essen aus der kleinen Küche neben der Tür brachte. Ein Duft nach gebratenem Hähnchenfleisch lag in der Luft.
    Am anderen Ende ihres Tisches saßen zwei Geschäftsmänner, die auf ihren Laptops tippten und dazu Bier aus Flaschen tranken. Alle mussten auf kleinen Barhockern sitzen,

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