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Blinde Zeugen: Thriller

Titel: Blinde Zeugen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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strömenden Regen zurück zum Hauptplatz, überquerten die vierspurige Straße und stiegen die Treppe hinunter in den Bahnhof.
    Von außen sah es gar nicht so schlimm aus, aber drinnen war es das reinste Tollhaus. Sie bahnten sich ihren Weg durch ein Labyrinth von Gängen mit niedrigen Betondecken, gesäumt von Kiosken, an denen alles Mögliche feilgeboten wurde, von Science-Fiction-Romanen über Donuts bis hin zu harten Pornos. Es roch nach Dönerfleisch und heißen Falafel, Würstchen und gebratenen Zwiebeln. Stimmengewirr, Rufe und Schreie; Gedränge und Geschiebe, gelbe und rote Blinklichter an sämtlichen Ladenfronten.
    Bis dahin war es noch gar nicht so schlimm gewesen – nicht viel anders als jede andere moderne europäische Großstadt –, aber nun war Polen plötzlich ein sehr fremdes Land.
    Jaroszewicz steuerte einen Schalter an. Auf einem handgeschriebenen Zettel, der mit Tesa an die Scheibe geklebt war, stand » Nie Informacja «. Keine Information. Er verstand kein Wort von der lautstarken Auseinandersetzung, die sich zwischen Jaroszewicz und dem Mann hinter dem Schalter entspann, aber am Ende marschierte sie mit zwei Fahrscheinen und zwei Platzreservierungen vom Schlachtfeld.
    »Saftladen.« Sie schob sich durch die Scharen von Passanten und schloss sich einer kleinen Schar von Menschen an, die alle ein Plakat mit einer verwirrenden Auflistung von Bahnhöfen und Uhrzeiten anstarrten. Zwei Minuten später sagte sie: » Perron fünf.« Sie ging voran zu einer schmutzig grauen Rolltreppe, die zu einem schmutzig grauen Bahnsteig hinunterführte.
    Logan eilte ihr nach. »Was wissen Sie über die Opfer?«
    Sie zuckte mit den Achseln und lehnte sich an eine Hinweistafel. »Vor 1989 war es offenbar politisch motiviert. Wir haben kaum detaillierte Informationen, aber alle Opfer wurden beschuldigt, das kommunistische Regime zu unterwandern: Gewerkschaftsführer, Geistliche, Aktivisten, solche Leute. Nach 1989 klafft eine Lücke, und dann fängt es wieder an. Jetzt sind es meistens Kleinkriminelle.«
    Der Bahnsteig füllte sich allmählich mit Menschen, hauptsächlich Studenten und Geschäftsleute.
    Jaroszewicz stellte ihre Tasche ab. »Was ist mit Ihren?«
    Logan ging die Ödipus-Opfer eins nach dem anderen durch und schloss mit der Tatsache, dass sie sich allesamt weigerten, mit der Polizei zu sprechen. »Sie haben immer noch panische Angst, obwohl wir den Kerl schon in Gewahrsam haben.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Überrascht mich nicht.«
    Aus den Lautsprechern am Bahnsteig schepperte eine Durchsage, und alles begann zur Bahnsteigkante vorzurücken. Dann kam eine ramponierte grüne Diesellok aus dem Tunnel gerumpelt, die zehn lila-weiß gestrichene Waggons mit dem orangefarbenen Logo »ICC PKP INTERCITY« hinter sich herzog.
    Ein schriller Pfiff, und die Türen gingen auf. Jaroszewicz nahm ihre Fahrkarten heraus und studierte sie mit zusammengekniffenen Augen. Dann zerrte sie Logan den Bahnsteig entlang zu Wagen Nummer neun.
    Drinnen kam man sich vor wie in einem Eisenbahnmuseum. An einer Seite des Wagens verlief ein Gang, über den man eine Reihe kleiner Achterabteile mit Schiebetüren aus Glas erreichte.
    Jaroszewicz warf noch einen Blick auf die Fahrscheine, zog eine der Türen auf und trat ins Abteil. Es war schon fast voll besetzt. Sechs Studenten fläzten sich lachend auf den Sitzen und ließen einen Laib Brot herumgehen, von dem sie Fetzen abrissen und sich in den Mund stopften.
    Jaroszewicz fluchte, wuchtete ihre Tasche ins Gepäcknetz und forderte einen Mann mit langen braunen Haaren auf, ihren Platz freizumachen. Und dann verscheuchte sie seine Freundin von Logans Platz. Die beiden zuckten nur mit den Achseln und räumten das Feld.
    Logan murmelte Entschuldigungen, während er sich an der Reihe von Knien vorbei zu seinem Fensterplatz zwängte und seinen Koffer ins Netz bugsierte.
    Wieder eine Durchsage. Dann ein dumpfes Klacken. Und ganz langsam setzte der Zug sich in Bewegung, fuhr durch einen weiteren Tunnel und hinaus in den verregneten Abend.
    Polizeihauptmeisterin Jaroszewicz plauderte eine Weile über dies und das, hauptsächlich über Filme, die sie gesehen hatte. Schließlich verstummte sie und starrte aus dem Fenster, wo mit Graffiti besprühte Gleisanlagen vorüberzogen.
    Gegenüber von Logan saß ein Mädchen. Sie war auf ihrem Sitz nach vorn gerutscht, sodass ihr Rock den Blick auf ihre blassen Oberschenkel freigab. Aus dem V-Ausschnitt ihres Pullis lugten Tattoos

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