Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
länger würde arbeiten können, wenn ich erst mal Mrs Roger Campton sei. Es wäre unangemessen, wenn wir beide berufstätig seien. Was würden die Leute bloß denken? Dass er nicht einmal fähig sei, seine eigene Frau zu ernähren? Aber ich solle mir keine Sorgen machen, ich hätte garantiert alle Hände voll zu tun, schließlich würde ich mich ja um ihn kümmern müssen. Und er würde schon dafür sorgen, dass mir die Arbeit nicht ausgeht. Ich musste sogar lachen und habe zu ihm gesagt, dass er wohl nicht ganz bei Verstand sei, wenn er auch nur eine Sekunde glaube, ich würde meinen Job und meine Karriere an den Nagel hängen, nur weil ich heirate.« Sie hob die Hände. »Tja, wie man sieht, war er nicht ganz damit einverstanden«, fügte sie sarkastisch hinzu.
»Dieser elende Dreckskerl hat Ihnen beinahe ein Auge ausgeschlagen.«
Im ersten Moment hatte es sich angefühlt, als wäre es ihm sogar gelungen. Der Augenarzt hatte nach der Untersuchung in der Notaufnahme gemeint, sie hätte riesiges Glück gehabt, dass sie als Folge des heftigen Schlags nicht ihr Augenlicht auf einem Auge eingebüßt hätte.
»Gonzales hat mir erzählt, er hätte von seinen Kollegen gehört, Sie hätten nicht einmal mehr aufrecht stehen können.«
»Roger hat mich auch in die Rippen getreten. Ich dachte erst, sie sind gebrochen. Es war zwar nicht so, aber die Prellung hat wahnsinnig wehgetan. Und tut es immer noch, wenn ich eine ruckartige Bewegung mache oder tief Luft hole.«
»Großer Gott«, flüsterte Dodge. »Dieser Typ …« Er stemmte die Hände in die Hüften und ging ein paar Schritte im Kreis. Wieder schien er Mühe zu haben, seine unbändige Wut unter Kontrolle zu bringen. »Packen Sie jetzt Ihre Sachen«, befahl er knapp, als er wieder vor ihr stand.
»Gut. Ich packe. Sie können mich irgendwo anders hinbringen. Aber seien Sie vernünftig, Dodge. Bei Ihnen kann ich nicht bleiben.«
»Wieso nicht?«
»Wir kennen uns doch kaum.«
Er winkte ab. »Dann lernen wir uns eben kennen. Wenn Sie Angst haben, ich könnte …«
»Nein, habe ich nicht.«
»Gut. Denn falls doch, können Sie jederzeit Jimmy Gonzales anrufen. Sollte ich auf die Idee kommen, Sie anzurühren, reißt er mir den Arsch auf.«
»Ich könnte vielleicht … zu … einer Freundin ziehen.«
»Kennt Roger Ihre Freundinnen nicht? Glauben Sie etwa, er sucht nicht dort nach Ihnen, wenn er Sie hier nicht finden kann? Ich wette, Sie haben keiner Ihrer Freundinnen erzählt, dass er Sie schlägt. Sie werden Ihre Verletzungen erklären müssen. Außerdem ist Ihnen klar, was das bedeuten würde, sonst hätten Sie längst jemanden angerufen.«
»Dann eben ein Motel mit Langzeitzimmern?«
Nachdenklich kreuzte er die Arme vor der Brust. »In solchen Etablissements habe ich schon massenhaft Leute verhaftet. Das ist nur was für abgehalfterte Vertreter, Huren, Drogendealer und Hehler.«
»Aber das sind nicht automatisch schlechte Menschen. Einige von ihnen sind sogar ganz nett.«
»Na gut, sagen wir mal, Sie ziehen in eines, in dem die Gäste halbwegs vertretbar sind. Trotzdem wäre es ein ziemlicher Aufwand.«
»Aufwand?«
»Für mich. Ich müsste mehrmals am Tag hinfahren, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Aber das würde ich nicht von Ihnen erwarten.«
»Aber ich. Und woher wollen Sie wissen, dass Campton Sie nicht irgendwann aufstöbert?«
»Er könnte mich auch bei Ihnen finden.«
»Das stimmt. Aber bevor er Sie kriegt, müsste er mich umbringen. Und jetzt«, fuhr er fort, »haben wir genug Zeit vergeudet. Packen Sie Ihre Sachen.«
Seine Eigentumswohnung befand sich in einem Vier-Parteien-Haus in einer Anlage aus zehn identischen Einheiten mit gepflegten Rasenflächen und gut beleuchteten Wegen. Es gab einen Gemeinschaftspool, einen Tennisplatz und ein Klubhaus. Hier lebten unverkennbar alleinstehende Berufstätige; Menschen, die Zeit, Geld und Mühe scheuten, sich eine dauerhafte Bleibe einzurichten.
Dodge hatte zwei Kommodenschubladen und die eine Hälfte seines Kleiderschranks für sie frei geräumt, bevor er ins Krankenhaus aufgebrochen war – mehr Platz, als sie benötigen würde. »Kleider für die Arbeit werde ich sowieso nicht brauchen«, erwiderte sie, als er bemerkte, wie überschaubar ihr Gepäck war.
»Ach ja, Ihr Job. Was ist damit?«
»Ich habe Mr Malone am Tag nach dem Vorfall aus dem Krankenhaus angerufen und angedeutet, mir sei ein kleines weibliches Malheur passiert, das einen chirurgischen Eingriff erforderte. Wie erwartet,
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