Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
hat er nicht weiter nachgefragt. Ich habe darum gebeten, mich für einen Monat zu beurlauben, um mich zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen. Er meinte, ich solle mir alle Zeit nehmen, die ich brauche.«
»Einen ganzen Monat? In diesem Fall müssen Ihre Verletzungen schwerer sein, als Sie mich glauben machen wollten.«
»So lange wird es nicht dauern, bis ich wieder auf dem Posten bin. Aber ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich leicht schlimme blaue Flecke kriege. Es wird Wochen dauern, bis das hier«, sagte sie und deutete auf ihr Auge, »wieder verschwunden ist. Bis dahin werde ich die ganze Farbpalette durchlaufen. Um mir Fragen von Kunden und Kollegen zu ersparen, will ich erst wieder anfangen, wenn nichts mehr zu sehen ist.«
Zwar beruhigte ihn ihre Erklärung ein wenig, trotzdem versetzte ihm die Art, wie sie in den höchsten Tönen von Jim Malone schwärmte, einen eifersüchtigen Stich. Andererseits war er froh, dass sie nicht für ein ungeduldiges Arschloch arbeitete, das keine Krankheitstage duldete und sie so schnell wie möglich wieder bei der Arbeit sehen wollte.
Nachdem sie ihre Sachen verstaut hatte, zwang er sie, von dem Kartoffelomelett zu essen, das er aus Resten zubereitet hatte. Er gab zu, dass er nicht gerade ein Gourmet war, sich jedoch ganz gut versorgen konnte. Und auch sie würde er nicht verhungern lassen, obwohl sie aussah, als sei sie bereits auf dem besten Weg dazu.
Brav aß sie, so viel sie konnte, dann nahm sie eine Schmerztablette und ließ sich von ihm ins Bett stecken. Sie schlief sechzehn Stunden am Stück und wachte am nächsten Morgen gerade noch rechtzeitig auf, um sich zu verabschieden, ehe er in die Reifenfabrik aufbrach.
»Marvin?«, fragte sie blinzelnd beim Anblick des bestickten Namenszugs auf seinem Hemd.
Er runzelte die Stirn. »Das wollen Sie nicht wissen, glauben Sie mir.«
Er bläute ihr ein, die Tür verschlossen zu lassen, in der Wohnung zu bleiben oder auch im Bett, wenn sie Lust dazu hatte. Sie versprach es. Dann instruierte er sie, seine Nummer stets griffbereit zu halten und ihn anzupiepen, falls sie irgendetwas brauchen sollte. Er würde sie nicht anrufen, um sie nicht zu stören, es aber, falls es doch einmal nötig sein sollte, ein Mal läuten lassen, wieder auflegen und es gleich danach noch einmal versuchen, damit sie wisse, dass er es sei.
Trotz allem war ihm nicht wohl dabei, sie allein zurückzulassen.
Nach seiner Schicht in der Reifenfabrik ging er zum allabendlichen Briefing der Sondereinheit, wo er berichtete, er und Franklin Albright seien nach wie vor alles andere als dicke Freunde. Albright hatte ihm einen Reifen zerstochen. »Ziemlich dämlich. Mein Wagen stand auf dem Parkplatz einer Reifenfabrik, Scheiße noch mal!« Er hatte im Handumdrehen einen neuen Reifen aufgezogen gehabt.
Zwar konnte er nicht beweisen, dass es Albright gewesen war, doch außer ihm hatte er keine Feinde bei der Arbeit, außerdem hatte er ihn reichlich frech angegrinst, als Crystal nach der Schicht an seiner Seite das Fabrikgebäude verlassen hatte. Abgesehen davon wusste Dodge, dass Albright eine Schwäche für Messer hatte.
Den dämlichen Prügelknaben für den gewalttätigen Exknastbruder hergeben zu müssen, war Dodge mittlerweile ziemlich lästig, aber er hatte sich die Rolle ausgesucht und würde sie wohl oder übel weiterspielen müssen. Mittlerweile wurde seine Beziehung zu Crystal immer enger – einmal hatte sie ihm sogar über den Schenkel gestreichelt und gemeint, wie sehr sie es bedauere, dass sie ihm nicht schon eher begegnet sei.
Zu schade, dass sie nichts über Franklin wisse, was ihn für lange, lange Zeit wieder hinter Schloss und Riegel befördere und es ihr erspare, ihn in die Wüste zu schicken, um endlich mit ihm – Marvin – zusammen sein zu können, hatte Dodge erwidert.
Ihr Lächeln war in sich zusammengefallen, und sie hatte eilig das Thema gewechselt. Dodge schloss daraus, dass ihr irgendetwas im Hinblick auf Albright zu schaffen machte, sie aber noch nicht bereit war, zu verraten, dass er einen Banküberfall plante.
Dodge hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten, aber nach wie vor hatte keiner von ihnen etwas Konkretes in der Hand. Deshalb musste er notgedrungen weiter in der Reifenfabrik Dienst schieben und Crystal bearbeiten – in der Hoffnung, etwas über Albright herauszufinden, das ihn entweder als Täter entlarvte oder ihn aus dem Kreis der Verdächtigen ausschloss. Und währenddessen hatte er alle Hände voll
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