Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
gut.«
»Wo ist er jetzt?«
»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, stand er vor dem Krankenhaus und wurde von Reportern mit Fragen bombardiert. Sämtliche Houstoner Sender hatten jemanden geschickt, dazu ein Sender aus Tyler und einer aus Lafayette, soweit ich das mitbekommen habe. Die Leute stehen eben immer noch auf Geschichten vom schlimmen Bösewicht, der von der Polizei geschnappt wird. Noch dazu im Big Thicket. Das macht diese Hölle noch legendärer, als sie sowieso schon ist.«
Berry schüttelte verwundert den Kopf. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Oren auf die Idee gekommen ist, sich in die Wildnis zu schlagen.«
»Ich kann mir vieles von dem, was er getan hat, nicht vorstellen.« Argwöhnisch beäugte er das Fläschchen mit dem Antiseptikum und die Tüte Wattebäusche, mit denen Caroline wieder herunterkam. »Brennt das Zeug?«
»Es tut jedenfalls weniger weh, als wenn sich die Wunden entzünden«, sagte sie. »Außerdem sollten Sie sich eine Tetanusspritze geben lassen.«
»Vergessen Sie’s.«
Stirnrunzelnd ging sie neben dem Schaukelstuhl in die Hocke, tränkte einen Wattebausch mit dem Antiseptikum und betupfte damit einen bösen Stich auf seinem Handrücken.
Unter deftigen Flüchen wegen des brennenden Mittels schilderte Dodge den beiden Frauen, was sich in den vergangenen Stunden abgespielt hatte.
»Wie stehen Orens Chancen?«, fragte Berry, als er geendet hatte.
»Zu überleben? Er wird nicht überleben. Entweder gibt er gleich den Löffel ab, oder er wird wegen dreifachen Mordes angeklagt und mithilfe der Gesetze des Bundesstaats Texas sterben. Das war’s für ihn, so oder so.«
Berry stand auf und trat ans Fenster, das Ausblick auf den See bot. Die Sonne ging gerade unter, während ein Schwarm Vögel darüber hinwegflog. Die Pinien warfen lange, kerzengerade Schatten auf das gekieste Ufer. Es war ein malerischer Anblick voll stiller Friedlichkeit, genauso wie vergangenen Freitag, als sie und Ben ihre Arbeit beendet und nichts ahnend beschlossen hatten, ein paar Steaks auf den Grill zu legen und den Abschluss eines Projekts zu feiern, in das sie fast ein ganzes Jahr Zeit und Arbeit investiert hatten. Bei der Erinnerung verzog sie das Gesicht.
Sie wandte sich wieder zu ihren Eltern um. Seltsam, dass sie Caroline und Dodge inzwischen automatisch als Einheit betrachtete. Als Paar . Ihre Eltern.
»Ich will Oren besuchen.«
Dodge knallte sein Glas auf den kleinen Beistelltisch neben ihm. »Herrgottnochmal!«
»Was ist los?«
»Ski hat mir prophezeit, dass Sie genau das sagen würden. Er hat mich sogar gezwungen, eine Wette darauf abzuschließen. In dieser Sekunde habe ich fünf Mäuse verloren.«
»Wem gehört eigentlich das Auto da draußen?«
Er nahm sein Glas und kippte den restlichen Inhalt in einem Zug hinunter. »Dem Deputy, der im Krankenhaus vor Starks’ Zimmer Wache steht. Ski meinte, ich könnte es haben, um herzufahren und zu duschen.«
»Tja, jetzt, wo Sie wieder sauber sind, können Sie es ja zurückbringen. Mutter und ich fahren Ihnen mit Ihrem Wagen nach.«
Berry konnte es kaum erwarten, mit Ski zu reden oder ihn wenigstens zu sehen, selbst wenn es nur aus der Ferne war.
Und sie konnte es kaum erwarten, Oren zu sehen. Sie wünschte sich verzweifelt, diesen Abschnitt ihres Lebens endlich abschließen zu können, doch das würde ihr erst gelingen, wenn sie sich dazu bekannt hatte, welche Rolle sie in Orens abscheulichen Taten spielte.
Wie es aussah, hatte Oren schon die ganze Zeit unter einer Geistesstörung gelitten, aber möglicherweise war sie diejenige, die dafür gesorgt hatte, dass sein ohnehin labiles Gleichgewicht gekippt war und er vollends den Verstand verloren hatte. Wäre sie toleranter und netter zu ihm gewesen, hätten seine zerstörerischen Impulse möglicherweise weiter tief in seinem Innern geschlummert, bis er eines Tages im hohen Alter eines natürlichen Todes gestorben wäre.
Doch erst wenn sie die Schuld für all die schlimmen Dinge, die ihretwegen passiert waren, auf sich genommen hatte, würde sie ihren Frieden finden.
Falls sein Zustand tatsächlich so ernst war, wie Dodge behauptet hatte, lief ihr die Zeit davon. Zu allem Übel kamen ihnen, als sie auf dem Weg zur Intensivstation die Krankenhauslobby durchquerten, auch noch Amanda und Ben Lofland entgegen.
»Das ist also unser Ben«, stieß Dodge zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, was er von dem Mann hielt.
»Geht
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