Blitz: Die Chroniken von Hara 2
ritten. Mein Tier war schon über und über mit Schweiß bedeckt. In seiner Brust rasselte es fürchterlich. Wenn diese Jagd noch etwas andauern würde, wäre das sein Ende. Doch da sah ich bereits die Mauer mit dem Tor zur Vogelstadt.
Nur dass die Soldaten gerade dabei waren, das Gitter herunterzulassen …
Wunderbar …
Ich trieb das Pferd zum Äußersten an. Lahen schoss noch vor mir durchs Tor, ich schlüpfte in letzter Sekunde hindurch und entkam mit knapper Not den herabfallenden scharfen Zähnen. Scheppernd schlug das Gitter hinter mir auf dem Boden auf.
Mein Pferd verließen nun endgültig die Kräfte. Es strauchelte und fiel mit kläglichem Wiehern auf die Seite. Gerade noch rechtzeitig zog ich den Fuß aus dem Steigbügel, sprang ab und rollte zur Seite, um außer Reichweite der Hufe zu gelangen. Als ich wieder aufstand und mich umsah, entfuhr mir ein wütender Fluch. Nur Lahen und ich hatten es geschafft. Ga-nor und Luk waren auf der anderen Seite der Mauer geblieben.
Ich rannte zurück. Luk brüllte, Speichel verspritzend, einen Sergeanten an. Der war in seiner Wut bereits purpurn angelaufen und schrie seinerseits auf Luk ein. Ga-nor saß ab, trat ans Gitter heran und lächelte mich durch die armdicken Stäbe hindurch an.
»Lassen sie das Gitter noch mal hoch?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
»Ich fürchte nicht. Sie haben ihre Befehle.«
»Keine Ahnung, ob du mir glaubst, aber es tut mir wirklich leid.«
»Du kannst ja nichts dafür, Grauer. Ihr hattet Glück, wir nicht. All das ist jedoch Ugs Wille. Wenn wir uns hier trennen müssen, dann heißt das nur, dass mein Gott es so wollte.«
Aus der Ferne klangen Schreie und Waffengeklirr herüber. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hätte der Kampf auch dieses Tor erreicht. Ga-nor zog bereits wieder das Schwert aus der Scheide, die auf seinem Rücken hing.
»Ihr solltet euch jetzt davonmachen. Und zwar rasch«, sagte er.
Bevor ich etwas erwidern konnte, kam Lahen zu uns. »Kannst du irgendwas mit dem Gitter machen?«
»Glaub mir, es wäre leichter, eine Verdammte in ein schneeweißes Schaf zu verwandeln, als ein Werk des Skulptors zu zerstören«, antwortete sie. »Gegen dieses Gitter würden vermutlich nicht einmal alle sechs Verdammten zusammen etwas ausrichten können.«
Fluchend versetzte ich dem Gitter, das uns trennte, einen Tritt.
Ich musste jetzt endlich eine Entscheidung treffen – so schwer sie mir auch fiel. Hol mich doch das Reich der Tiefe! Nie hätte ich gedacht, dass es so schmerzlich sein würde, sich von zwei Menschen zu verabschieden. Entweder wurde ich alt oder sentimental. Und ohne Lahen an meiner Seite wäre ich wohl bei Ga-nor und Luk geblieben …
»Bis zum nächsten Mal, Ga-nor. Wenn dein Ug uns allen wohlgesonnen ist, dann sehen wir uns noch einmal wieder, da bin ich mir ganz sicher.«
Er streckte mir die Hand durch die Gitterstäbe zu, und wir verabschiedeten uns mit einem kräftigen Händedruck.
»Das werden wir. Ganz bestimmt«, erwiderte er. »Viel Glück euch beiden.«
Lahen und ich sahen ihm nach, wie er zu Luk ging, ehe wir uns schweigend davonmachten.
Mein Pferd würde es nur noch bis zum Friedhof schaffen, und selbst das nur, wenn ich es trug. Lahens Tier dagegen schien einem weiteren Ritt nicht abgeneigt, obwohl es ebenfalls schweißbedeckt war.
»Was meinst du?«, fragte ich meinen Augenstern. »Hält es uns beide aus?«
»Wenn wir langsam reiten. Und das ist immer noch besser, als zu Fuß zu gehen. Außerdem ist es ja nicht mehr weit.«
Das stimmte. Nur noch durch die Vogelstadt, dann wären wir endlich im Hafenviertel und bei den Piers.
Kapitel
12
Das Glück war Giss schon immer hold gewesen. Und auch an diesem Tag machte es keine Ausnahme.
Erstens, weil es regnete. Kreaturen aus dem Reich der Tiefe ertragen kein Wasser, da dieses ihre ursprüngliche Form auflöst und sie von ihrer Kraft abschneidet. Saugte sich obendrein die Erde voll mit Nass, so waren die Dämonen vollends die Gelackmeierten, denn dann vermochten sie die Verbindung zu ihrer Welt kaum aufrechtzuerhalten. Das galt zwar nicht für Meer- und Wassergowen – für alle anderen Dämonen dafür aber umso mehr.
Zweitens, weil der Shoy-chash Pech bei der Landung gehabt hatte. Ausgerechnet in einen Laden, der Mittel zum Kampf gegen Dämonen anbot, war er gekracht. Allein der Geruch all der Kräuter, Elixiere, Salben, Extrakte und Pulver, der den zerschlagenen Fläschchen, Fässern, Schachteln, Gläsern und
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