Blondes Gift
das schäbig, aber so läuft das nun mal.«
Das war zu der Zeit, als er sich mit Katie, seiner verstorbenen Verlobten, in einem Bed and Breakfast in Stockton, New Jersey, verkrochen hatte, ungefähr neunzig Minuten südlich von New York City. Sie übernachtete gerne dort, aber es war das erste Mal, dass sie gemeinsam hier waren. Und es war tatsächlich das erste Mal, dass sie im selben Zimmer geschlafen hatten, seit sie sich einen Monat zuvor in Houston kennengelernt hatten. Ihr Bruder hielt sich dort auf, weil er es auf die Lohngelder einer Firma für Sportlernahrung abgesehen hatte, die gerade erst mit Fondsgeldern finanziert worden war, und sie saß in einem Laden mit dem Namen Saltgrass und nippte an einem eisgekühlten Drink. Eine hübsche Lady, die in einer Bar von Houston einen Scotch trank. Und Kowalski hatte gedacht, er hätte schon alles gesehen.
Ihr Bruder Patrick war komisch, wenn es darum
ging, dass sie sich mit anderen Leuten verabredete, also hatten sie angefangen, sich hinter seinem Rücken zu treffen. Ihr Wochenende in Stockton war ihre erste richtige Verabredung: Hier hatten sie Zeit, einander besser kennenzulernen, sich ein paar Drinks zu genehmigen und sich, unter dem Vorwand einer Körpermassage, ihrer Klamotten zu entledigen.
Kowalski hatte sich zurückgelehnt und ein Exemplar von Die Tote im See durchgeblättert, das Katie eingepackt hatte, und er las ihr diese Zeilen vor, und sie sagte: »Wenn du deine Hand auf irgendeinen anderen Schenkel legst, geh einfach davon aus, dass du einen blutigen Stumpf zurückziehst. Und dann passiert das Gleiche mit dem Rest von dir.«
Kowalski war damit völlig einverstanden. Von da an war klar, dass sie ein Paar waren.
Und nun dieser Club. Hier ging es nur um andere Schenkel.
Aber hey, er maßte sich besser nicht an, darüber zu urteilen. Er war nie verheiratet gewesen. Er hatte nie die Möglichkeit dazu gehabt. Er hatte nie geglaubt, dass er zu den Typen gehörte, die mal heiraten würden.
Aber er verabscheute die Vorstellung, dass er an einem Ort wie diesem enden könnte und sich vor einem kaputten Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen einen runterholte, das von seinem Vater nicht genug Liebe bekommen hatte.
»Bitte schön.«
Kowalski nahm die schmale schwarze Brieftasche
entgegen und klappte sie mit einer Hand auf. Viel war nicht drin. Ein Führerschein des Staates Illinois, eine Tankstellen-Kreditkarte und eine Visa Card von Capital One. Hinter dem Sichtfenster steckte ein Foto: von einem hübschen blonden Mädchen, vielleicht vier oder fünf. Kowalski war nie gut darin gewesen, das Alter von Kindern zu schätzen. Er fummelte das Bild aus der Hülle. Auf der Rückseite war ein Stempel: Paul Photography. Und der handschriftliche Vermerk: »Callie.«
Sie waren nie dazu gekommen, sich über Kindernamen Gedanken zu machen. Sie war gerade mal im zweiten Monat, als sie starb. Aber Callie. Das war ein hübscher Name. Er hätte es vielleicht in die engere Wahl geschafft.
Wenn Katie nicht umgebracht worden wäre, würden sie jetzt gerade wahrscheinlich über die Namen diskutieren.
Okay, Mr. K., Mr. South Philly Killer. Schluss damit.
Vergiss den Scheiß.
Finde diesen Jack und bring ihn zum Reden, dann überleg dir, was du als Nächstes tust. Früher oder später würde ihn seine Verbindungsoffizierin in Zugzwang bringen, und es war besser, darauf vorbereitet zu sein.
»Wann ist er gegangen?«
»Brett hat ihn vor die Tür gesetzt – wann war das, Gary?«
»Vor ungefähr zwanzig Minuten. Ich sag Ihnen, Sie haben ihn ganz knapp verpasst.«
»Der Typ war ein Arschloch. Sie hätten das Mädchen sehen sollen, mit dem er zusammen war. Sie sah aus, als könnte sie es gar nicht erwarten, ihn loszuwerden.«
Kowalski konnte den einen kahlrasierten Schädel nicht vom anderen unterscheiden. War ja wohl auch nicht weiter wichtig.
Jack war mit dem Taxi gekommen und alleine wieder gegangen. Mal angenommen, er musste sich tatsächlich in der Nähe anderer Menschen aufhalten. Dass er mit jemand anders weggefahren war, schien unwahrscheinlich; schließlich hatte man ihn unsanft aus dem Laden komplimentiert. Trotzdem gab es eine Reihe von Möglichkeiten: Er hatte ein weiteres Taxi genommen, einen Wagen kurzgeschlossen oder jemanden in seinem Wagen entführt. Moment. Die beiden letzten Möglichkeiten kannst du vergessen. Jack ist keiner von der harten Sorte. Sonst noch was?
»Gibt’s in der Nähe irgendwelche öffentlichen Verkehrsmittel?«, fragte
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