Blow Out (German Edition)
der ein oder andere nützliche Gegenstand in die Hände. Wer konnte schon sagen, wie lange sie hier festsitzen würden?
Sie erreichte das Haus und legte besser als erwartet an. Sie band das Boot fest und kletterte hinaus. Als sie die Hand an den Türknauf legte, schoss ihr ein beängstigender Gedanke durch den Kopf. Was, wenn nicht alle Bewohner des Dorfes weggegangen waren? Vielleicht hatten es einige ja auch vorgezogen zu bleiben? Woher konnte Nick so sicher sein, dass er und Emma die einzigen Personen in diesem vermeintlichen Geisterdorf waren? Wie würden sie reagieren, wenn Emma einfach so in ihrem Haus auftauchte? Nicht gerade freundschaftlich, so viel stand fest.
Sie biss sich auf die Lippen und klopfte zögerlich an die Tür. »Hallo? Jemand zu Hause?«
Stille. Emma kam sich selten dämlich vor. Außer ihr war niemand hier. Sie drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür.
49
»Such dir was aus«, sagte Emma und breitete die karge Ausbeute ihres Streifzugs durch Dörpling auf dem Küchentisch aus: eine Konserve mit Bohnen, Erbsen und Würstchen, eine unappetitlich aussehende Dosenwurst, eine Tube Schmelzkäse und eine Fertigpackung Spaghetti mit Tomatenmark und Kräutermischung.
»Das ist alles?«, fragte Nick enttäuscht. Ein zerknülltes Päckchen Zigaretten am offenen Fenster sowie abgestandener Rauch verrieten ihr, dass er schon länger wieder wach sein musste.
»Der Großmarkt am Ende der Straße hat heute leider geschlossen.«
»Getränke?«
Sie schüttelte den Kopf. Einen Moment lang ergötzte sie sich an seiner Enttäuschung, langte dann hinaus in den Flur und präsentierte ihm zwei Flaschen Mineralwasser.
Erleichtert atmete er auf. »Komm her und lass dich knutschen.«
»Das lass mal schön bleiben.« Mit dem Zeigefinger wedelnd, setzte sie sich. »Zwei Flaschen Wasser sind nicht viel, aber es gibt genügend Häuser, die ich noch nicht durchsucht habe.« Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und massierte sich die Füße. »Ich habe vier komplette Straßenzüge abgeklappert. Ich kann dir sagen, manchmal war mir wirklich mulmig zumute.«
»Außer uns ist keiner hier«, winkte er ab und inspizierte die Spaghetti-Packung.
»Weißt du das denn so genau?«
»Nein.«
» Wenigstens werden wir nicht so schnell verhungern. Außerdem habe ich eine Taschenlampe und ein paar Kerzen gefunden.«
»Siehst du, dein Pessimismus heute Morgen war völlig unangebracht.«
»Nicht ganz«, widersprach sie, »die Getränke könnten zum Problem werden.«
Er nickte und trank den letzten Schluck aus der Flasche, die sie ihm vor ein paar Stunden auf den Tisch geknallt hatte. »Dann mal los«, sagte sie.
»Hä?«
»Schmeiß den Gaskocher an und leg los.«
»Mit was?«
»Na, mit Kochen natürlich. Ich hab die Sachen organisiert, dafür zauberst du uns jetzt Spaghetti Pomodoro auf den Tisch. Ich sterbe vor Hunger.«
Er sah sie an, als hätte sie ihn soeben darum gebeten, ihr zuliebe im Himalaya einen Yeti zu erlegen. »Ich glaube, darum kümmerst du dich besser.«
»Ach ja?«
»Kochen ist nicht gerade meine Stärke.«
»Du hast auch Stärken?«
»Wie wär’s damit: Du kochst, und ich übernehme den Abwasch.«
Er sah sie dermaßen treudoof an, dass sie beim besten Willen nicht anders konnte, als zu lachen. »Okay, du Held, aber nur wenn du mir währenddessen erzählst, was du herausgefunden hast.«
»Hätte ich sowieso.« Er ging zum Gaskocher und entzündete die Flamme.
»Ich weiß.«
Zu ihrer Überraschung fand Emma einen brauchbaren Topf, griff sich eine Mineralwasserflasche, schüttelte die Kohlensäure heraus und leerte das Wasser in den Topf. Nicht optimal, aber es würde genügen.
»So, mein Lieber, bis das Wasser kocht, dauert es. Beginnen wir mit der Akte. Was habe ich bisher übersehen?«
»Ich fürchte, das Wesentliche.«
»Und das wäre?«
»Der Grund, weshalb Rochas, Chevallier, Leuthard und Maddox ermordet wurden.« Er kratzte sich am Kinn. »Okay, fassen wir zunächst zusammen, was wir haben …«
»Vier Morde.«
»Ja, aber wir müssen früher ansetzen. Die Prämissen sind von entscheidender Bedeutung. Wo befinden wir uns und in welcher Zeit? Die Vorfälle ereigneten sich 2015. Was weißt du über die Independence?«
»Ich bin Amerikanerin, Nick. Jedes Schulkind bei uns kennt die Independence . «
»Darauf wette ich. Ihr alle kennt den Namen, den Mythos, die Glorifizierung, die dahintersteht. Aber was wisst ihr tatsächlich darüber?« Er sah sie herausfordernd an. »Doch nur
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