Blow Out (German Edition)
Flankiert wurde Collins von zwei kräftigen Männern mit kurzläufigen Maschinenpistolen. Am Steuer erkannte sie den grauhaarigen Agenten, der sie vorgestern ohne mit der Wimper zu zucken vom Segway ballern wollte. Es erweckte nicht den Anschein, als hätten die Männer ein bestimmtes Ziel im Visier.
»Einer von denen ist Collins.«
»Wer?«
»Der Sicherheitschef der Botschaft, der den dreifachen Rittberger auf der Baustelle hingelegt hat«, erklärte Emma.
»Was tun sie?«
»Sie fahren langsam … in unsere Richtung … halten Ausschau … jetzt drehen sie ab … vielleicht haben wir Glück und … nein, sie wenden … jetzt nähern sie sich der Scheune, an der wir vorhin vorbeigefahren sind. Die Jungs sind clever.«
»Was hast du erwartet?«, erwiderte Nick. »Sie werden jedes mögliche Versteck kontrollieren. Uns bleiben höchstens fünf Minuten, bis sie hier auftauchen.«
Das Licht der Leuchtrakete schwand. Einer der Männer reckte den Arm in die Höhe und schoss aus einer kompakten Pistole eine weitere Rakete ab.
»Sieh mal einer an«, hörte Emma Nick murmeln.
Das kleine Schlauchboot begann plötzlich gefährlich zu wackeln, und sie musste sich mit beiden Händen abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Was zum Teufel tat der Kerl? Sie löste sich vom Astloch. Nick hing halb über dem Boot und stützte sich mit einer Hand an der Rückwand der Scheune ab. Mit der freien Hand fummelte er an einem länglichen Gegenstand herum, der dort an der Wand hing.
»Was tust du?«, zischte sie.
»Ich besorge uns eine Waffe.« Es knarrte, als er einen Nagel aus einem morschen Stück Holz zog.
»Eine Waffe?«
Er drehte sich um und präsentierte ihr voller Stolz eine altertümliche, langstielige Sense aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Das rostige Sensenblatt war halbmondförmig gebogen und maß gut und gerne fünfzig Zentimeter.
»Besser als nichts«, kommentierte er ihren kritischen Blick. Er setzte sich, wobei er das Boot aufs Neue zum Schaukeln brachte und, im Bemühen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, mit der Sense nur eine Handbreit über ihrem Kopf hinwegsäbelte.
»Pass doch auf, du Idiot!«
»’tschuldigung.«
Mit einer Sense gegen Maschinenpistolen? Sie waren geliefert, keine Frage. Erneut spähte sie durch das Astloch. Die Agenten kontrollierten die Nachbarscheune. Einer der Männer kletterte sogar aufs Dach. Die Jungs ließen nichts anbrennen. Das waren Vollprofis.
»Unsere Scheune ist die nächste«, stellte sie fest.
»Vielleicht haben wir eine Chance.«
»Sicher. Sie werden deine Sense sehen, vor lauter Angst ihre Maschinenpistolen ins Meer werfen und sich ergeben.«
»Sollen wir uns etwa einfach so abknallen lassen?«
»Nein, ergeben. Ich glaube nicht, dass sie uns töten, wenn wir uns stellen. Ich meine, ich kenne diese SCS -Typen nicht, aber Jason Collins ist mit Sicherheit kein Killer. Sie werden keinen Mord begehen mit Collins als Zeugen.«
»Darf ich dich daran erinnern, dass es dein hochgeschätzter Collins war, der uns auf dem Segway ans Leder wollte?«
»Da sind wir auch geflohen. Ich denke, wenn wir uns stellen, werden sie nicht schießen.«
»Wie naiv bist du eigentlich?«
»Okay, dann sag mir, was du mit dieser Sense gegen bewaffnete Agenten ausrichten willst!«
Er zwinkerte ihr zu und grinste schief. »Vertrau mir.«
»Machst du jetzt einen auf Indiana Jones?«
»Wen?«
»Vergiss es.«
»Hör mir zu.« In knappen Worten erläuterte er ihr seinen Plan. Sie schüttelte den Kopf. Du liebe Güte, das konnte niemals funktionieren!
62
Das Luftkissenboot näherte sich. Nicks Herz hämmerte. Er spannte seinen Körper an, drückte Emma einen Kuss auf die Wange und ließ sich ohne ein weiteres Wort ins Wasser gleiten. Die Sense hielt er dabei fest umklammert.
Das Wasser war kalt und reichte ihm bis an die Brust. Schon jetzt begann er zu zittern. So leise wie möglich durchquerte er die Scheune bis zum Tor, wobei er bei jedem einzelnen Schritt bis zu den Knöcheln im Schlick versank. Die Killer – und nichts anderes waren sie in Nicks Augen, da konnte Emma gerne anderer Meinung sein – näherten sich von rechts. Er wandte sich nach links, darauf achtend, immer eng an der Wand zu bleiben. Nick atmete schwer. Der Wasserwiderstand und die Kälte setzten ihm zu. Er trat auf einen Stein, rutschte ab und ging unter. Sofort tauchte er wieder auf und wischte sich das Wasser aus den Augen. Er umrundete die Zweige einer abgestorbenen Hainbuche, ging dahinter in
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