Blow Out (German Edition)
gefroren haben musste. Die Fahrt war anstrengend gewesen. Abwechselnd hatten sie wahlweise das Boot gesteuert oder waren mit dem Kopf auf den Knien eingenickt.
»Gehen wir es an«, sagte er.
Sie nickte.
Kein einziger der Bundeswehrsoldaten am Tor nahm Notiz von ihnen, während sie die Schranken des Auffanglagers passierten. In ihren vor Schmutz starrenden Klamotten und mit übernächtigten Gesichtern sahen sie vermutlich so aus, als gehörten sie hierher.
Sie waren noch keine dreißig Schritte gelaufen, als ein offener Bundeswehrjeep direkt vor ihnen stoppte und ihnen den Weg versperrte. Emma seufzte. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn einmal etwas ohne Probleme über die Bühne gegangen wäre.
Eine Blondine saß hinter dem Steuer. Sie erhob sich, stützte die Ellbogen auf die Windschutzscheibe und sagte mit ernster Miene: »Hallo, Nick. Endlich. Ich versuche seit gestern, dich zu erreichen. Hörst du deine Mailbox nicht ab?«
»Hallo, Victoria.« Er wirkte überrascht. »Äh, tut mir leid, mein Communicator ist deaktiviert.«
»Weshalb das?«
»Ist eine lange Geschichte.«
Sie musterte ihn. »Du siehst mitgenommen aus.«
»Gehört zur langen Geschichte.«
»Aha. Ich muss mit dir reden.«
»Victoria, momentan ist es wirklich ungünstig. Ich bin in Eile. Ich möchte meine Mutter besuchen. Können wir das hier nicht verschieben?«
»Tut mir leid«, sagte die Frau und sprang aus dem Jeep. »Wir müssen reden.«
Die Situation war Nick offensichtlich unangenehm. Wie es aussah, gab es außer ihr noch mehrere Frauen, die nicht sonderlich gut auf ihren Begleiter zu sprechen waren.
Er warf Emma einen entschuldigenden Blick zu. Genervt verdrehte sie die Augen. Unglaublich, dieser Kerl hatte anscheinend überall ein Eisen im Feuer. Am meisten ärgerte sie ihre eigene Naivität. Sie war drauf und dran gewesen, ihm wieder zu vertrauen. Aber auf Kerle wie Nick war schlichtweg kein Verlass. Die Frau kam auf sie zu.
»Ich warte beim Jeep«, sagte Emma. »Und Nick, ich wäre dir dankbar, wenn du diese Angelegenheit schnell regeln könntest. Ich bin hundemüde.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Warte.« Er hielt sie am Arm zurück. »Bleib. Es wird nicht lange dauern.«
»Nein danke.«
»Dr. Fuchs kümmert sich hier um meine Mutter.«
Doktor Fuchs?
»Also gut, Victoria, wo drückt der Schuh?«
Die Ärztin atmete tief durch. »Es tut mir sehr leid, Nick, aber ich habe schlechte Neuigkeiten. Deine Mutter ist gestern überraschend verstorben.«
Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Er schnappte nach Luft. »Wie bitte?«
»Als sie mich riefen, war es bereits zu spät. Ich konnte nur noch ihren Tod feststellen. Vermutlich Herzversagen.«
Nick griff sich mit beiden Händen an den Kopf und schloss die Augen. Emma sah, dass sein Kinn zitterte. Gerne hätte sie ihn getröstet, aber ihr fehlten die Worte. Als er die Augen wieder öffnete, fragte er: »Wann genau ist es passiert?«
»Gestern zwischen 17 und 17.30 Uhr.«
»Aber warum …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Sie ist, ich meine, nach deiner Aussage von vor ein paar Tagen war sie, abgesehen von ihrer Demenz, völlig gesund.«
»Als ich sie am Tag eurer Ankunft untersucht habe, war sie organisch ohne Befund, das ist richtig. Ihr körperlicher Zustand entsprach ihrem Alter.« Sie zögerte. »Manchmal geht es schneller, als wir es wahrhaben wollen.«
Emma studierte das Gesicht der Ärztin. Dr. Fuchs war sichtlich angespannt. Für ihre vorschnellen Verdächtigungen schämte Emma sich nun in Grund und Boden.
»Ich möchte sie sehen«, forderte Nick.
»Ich fürchte, das geht nicht.«
»Wie bitte?«
»Nick, bitte …« Diesmal versuchte die Ärztin gar nicht erst, ihr Seufzen zu verbergen, und Emma erkannte die Zwickmühle, in der sich die Frau befand.
»Ich denke, ich weiß, weshalb du sie nicht sehen kannst«, sagte Emma und sah der Ärztin in die Augen. »Sie haben Lena Schäfer in die Autopsie bringen lassen.«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte Nick entgeistert. »Warum?«
»Es ist leider wahr«, sagte Dr. Fuchs. »Ich musste deine Mutter zur Obduktion in die Pathologie nach Hamburg überstellen. Tut mir leid, Nick, ihre Leiche wird erst nach Beendigung der Sektion freigegeben.«
»Moment mal!« Er packte die Ärztin am Oberarm. »Eine Obduktion?« Nick war völlig durch den Wind. Er registrierte, dass er die Ärztin festhielt, und ließ sie beschämt los.
»Vermuten Sie eine unnatürliche Todesursache?«, fragte Emma.
»Wir
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