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Blütenrausch (German Edition)

Blütenrausch (German Edition)

Titel: Blütenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mila Herbst
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geübt, derartig schwere Krisensituationen zu meistern. Aber eins wusste ich: Seelischen Beistand konnten die Betroffenen jetzt gut gebrauchen.
    Da der freie Theologe, der die Trauung vollzog, scho n gleich nach der Zeremonie gegangen war, konnte ich nicht auf ihn zurückgreifen. Um die passende Person zu finden, brauchte ich aber nicht lange nachzudenken. Ich schnappte mein Handy und rief Pfarrer Veltin an. Wir kennen uns schon seit einiger Zeit. Seit einem abscheulichen Sexualmord an einem zehnjährigen Jungen namens Tobias, vor acht Jahren. Er unterstützte die Notseelsorge und begleitete uns ‒ meinen damaligen jüngeren Kollegen Oliver und mich ‒ zu den Eltern, als wir ihnen die Nachricht über den Fund der schwer entstellten Leiche ihres Sohnes überbringen mussten. Durch seine einfühlsame Art mit den Menschen umzugehen, wurde er ein sehr gefragter Mitarbeiter. Er konnte den Schmerz der Trauernden nicht wegzaubern, aber erklärlich machen, und so schaffte er es sogar, einigen Verzweifelten, den Gedanken an Selbstmord auszutreiben.
    Ich hatte Glück. Er war z uhause und bereit zu kommen. Da er nicht weit weg wohnte, war er schon nach zehn Minuten im Hotel, und ich konnte ihn zu den Eltern und dem Bräutigam führen. Mittlerweile saßen alle in einer Ecke, etwas entfernt von der Bühne, auf zwei mit Samt überzogenen Sofas. Natalies Bruder hielt seine Mutter in den Armen, sein Vater hatte den Kopf in die Hände gelegt, und Behrings Mutter streichelte ihren Sohn auf dem Rücken.
    » Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen«, sagte ich behutsam. »Das ist Pater Veltin, er ist gekommen, um Ihnen beizustehen.«
    Frau Pot war die Einzige, die auf meine Ankündigung halbwegs reagierte. Mit tränenüberströmten Augen schaute sie einen kurzen Moment in unsere Richtung, ließ ihr Blick aber gleich wieder ins Leere fallen.
    » Mein herzliches Beileid«, verkündete Pfarrer Veltin mit leicht gesenktem Kopf und gekreuzten Händen. Er rückte einen freien Hocker näher an die Trauernden und fuhr mit mitfühlender Stimme fort: »Es wird lange dauern, bis Sie den Sinn verstehen, aber dann wird es erträglicher sein zu leben ...«
    Ich konnte n icht weiter zuhören.
    Beileidsbekundungen waren nichts für mich. Bevor mir die Tränen ins Gesicht schossen, beschloss ich lieber nach dem Notarzt zu schauen.
    » Können Sie schon sagen, was genau passiert ist?«, fragte ich ihn. Er unterhielt sich gerade mit dem Gast, der mir kopfschüttelnd mitgeteilt hatte, dass Natalie gestorben sei. Ihre Leiche war schon abgedeckt.
    » Und Sie sind?« Der Notarzt hatte sich zu mir umgedreht. Ich konnte seine Augen kaum sehen. Seine Augenbrauen waren zu einem einzigen dichten Busch verwachsen und erweckten den Eindruck, als seien sie zu einem Pony oberhalb seiner getönten Brille gekämmt worden. Er sprach mich an, als wäre ich eine lästige Fliege.
    » Trautheim. Ich bin die Hochzeitsplanerin.« Ich streckte ihm die Hand entgegen, aber er nahm sie nicht einmal wahr. Stattdessen räumte er etwas in seinen Arztkoffer.
    » Nun, ich konnte keine Herz- und Atemtätigkeiten mehr feststellen. Wie mein Kollege Dr. Braun richtig erkannt hat«, er blicke kurz zu jenem Gast, der bei ihm stand »war die Frau schon tot, bevor ich eintraf«
    » Natalie Behring.«
    » Wie bitte?«
    » Die Verstorbene hat einen Namen. Sie hieß Natalie Behring«, sagte ich ganz ruhig, obwohl ich empört war.
    Der Ton diese s Mannes gefiel mir nicht. Mag sein, dass er jeden Tag mit solchen Fällen zu tun, und schon eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt hatte, die es ihn ermöglichte mit Toten umzugehen, als wären sie nichts anderes als Gegenstände. Aber das rechtfertigte nicht, mit so einem unsensiblen und schroffen Ton mit den Lebenden zu sprechen. Keiner verlangte von ihm, dass er den Namen der Toten kannte, aber wenn er so abgestumpft mit mir sprach, schlug ich gerne zurück. Eine Auseinandersetzung zu provozieren war jedoch nicht wirklich klug, schließlich wollte ich ja eine Auskunft von ihm, also lächelte ich ihn charmant an.
    Der Notarzt schien über mein Verhalten etwas verwirrt zu sein, lenkte aber letzten Endes ein und gab mir weiter Auskunft: »Ich werde jetzt einen vorläufigen Todesschein ausstellen und die Polizei anrufen.«
    » Polizei?«, rief Herr Pot von der Sitzecke aus. Er sprang auf und kam mit konsterniertem Blick auf uns zu. »Was meinen Sie mit Polizei? Was hat die Polizei hier zu suchen? Meine Tochter ist doch an einem Herzversagen gestorben,

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