Blütenrausch (German Edition)
Abkürzungen bedeuten.«
» In Ordnung. Darf ich jetzt wieder an meinem Tisch? Mit der Liste?«
Bodo streckte mir die Hand entgegen und wartete, dass ich ihm das Heft übergab. Ich überlegte kurz. Eigentlich sollte ich das alles Oliver aushändigen, und nicht meinem sonderbaren Assistenten. Wenn er davon erfuhr, würde er mir das Leben zur Hölle machen. Aber das würde er sowieso jetzt schon, denn ich hatte mich, trotz seiner klaren Anweisung ich solle mich aus dem Fall raushalten, schon längst in die Ermittlungen eingemischt.
Ich reichte Bodo das Heft. »Wenn du fertig bist, leg es bitte wieder auf meinem Tisch.«
Bodo nickte. Während er zurück an seinen Platz ging, erhaschte ich ein Lächeln, als sei er ein Kind, das gerade eine leckere Süßigkeit erhalten hatte.
» Warte, bevor du anfängst, möchte ich doch noch Kopien davon machen.«
Ich nahm ihm kurz das Heft aus der Hand, ging zum Kopierer und kopierte die beschrifteten Seiten, dann überreichte ich ihm das Heft wieder. Sprachlos nahm er es entgegen. Er schien den Sinn meiner Handlung nicht so recht zu verstehen, schließlich hatte ich ihm die Verantwortung über das Knacken des Rätsels übertragen. Warum also die Kopien? Nachdem er aber das Heftlein wieder vor seiner Nase hatte, vergaß er mich augenblicklich und hatte nur noch Augen für die Liste.
Um herauszufinden, ob er sich bei der Liste tatsächlich um eine Art Terminkalender handelte und Natalies Sekretärin für dessen Erstellung verantwortlich war, beschloss ich diese zu kontaktieren. Ich googelte den Namen der Stiftung, in der Natalie gearbeitet hatte, Vox International, und suchte die Telefonnummer heraus.
Laut Natalie war die Stiftung von ihrem Onkel ins Leben gerufen worden und widmete sich der Unterstützung politischer Reformisten, die in unterdrückten Gegenden ‒ hauptsächlich in afrikanischen Ländern ‒ sich für die Demokratie einsetzten. Auch andere Gebiete wurden unterstützt: Frauenprojekte, die die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung in Ländern förderten, in denen dies alles andere als selbstverständlich ist. Oder die Gründung von Schulen in den ärmsten Gegenden. Eine musterhafte Stiftung, die sogar vom Bundespräsidenten gelobt wurde. War sie aber wirklich so lupenrein, wie sie vorgab? Hatte der Mord an Natalie vielleicht etwas mit der Stiftung zu tun? Wenn das so wäre, würde Oliver dahinterkommen. Auch ihr Arbeitsplatz wurde von oben bis unten durchsucht. Aber nicht Schulze oder Oliver, sondern ich hielt diese Liste in den Händen und daher musste ich herausfinden, wer sie angefertigt und was sie zu bedeuten hatte. Irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass sie in diesem Fall eine große Rolle spielte.
» Vox International , mein Name ist Claudia Berger, was kann ich für Sie tun?«, wollte eine junge Stimme wissen, als ich in der Stiftung anrief.
» Guten Tag, Schwarz, Kripo Berlin. Meine Kollegen Schulze und Poschke waren neulich bei Ihnen im Büro, und wir hätten da noch eine Frage.« Ich hielt die Luft an. Sprang Sie auf meinen Köder an oder würde sie gleich auflegen?
» Was möchten Sie noch wissen?«, fragte sie. »Ich habe Ihnen doch schon alles erzählt, was ich weiß.«
» Ja, allerdings fehlt uns noch eine Information. Sie kümmerten sich um die Termine von Frau Behring, richtig?«
» Ja, das gehörte zu meinen Aufgaben.«
»Sie führten also eine Liste mit ihren Terminen?«
»Wie ich schon sagte, ich kümmerte mich um ihre Termine, ja.«
» Sind die Termine nur elektronisch erfasst worden oder gab es auch ein Heft, in dem handschriftlich die Termine notiert wurden?«
Sie schwieg . Denkt sie nach oder fängt sie an, stutzig zu werden?
» Ich führte ihre Termine elektronisch und schickte ihr jeden Tag einen aktualisierten Terminkalender per Mail oder per SMS. Sie war ja nicht jeden Tag in der Stiftung. Sie hatte viele Meetings außerhalb des Büros und besuchte regelmäßig verschiedene Veranstaltungen, um auf uns aufmerksam zu machen. Soweit ich weiß, hatte sie einen grünen Terminkalender aus Leder. Den hatte sie immer dabei. Ob sie noch einen Kalender hatte, weiß ich nicht.«
» Sie trug also für gewöhnlich kein schwarzes Heftchen bei sich?«
» Nein, nicht dass ich wüsste. Obwohl ...« Frau Bergers Stimme stockte. »Einen Tag bevor sie ... Sie wissen schon ... bevor sie verstarb, kam sie noch morgens kurz vorbei. Sie wollte ihren Tisch leer räumen. Sie sollte doch nach ihrer Hochzeit
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