Blütenrausch (German Edition)
solange gegen ihn nicht schon einmal als Verdächtiger in einem Todesfall ermittelt wurde, zählt die Vergangenheit in der Regel nicht«, versuchte ich ihr vorzugaukeln, denn Fakt war, dass sie recht hatte.
Da Sophia die Einzige war, die eine Verbindung zu Tim herstellen konnte, musste ich sie so weit bekommen, dass sie mir vertraute und mir den Weg ebnete, um an Tim heranzukommen. Trotz der Erkenntnis, dass er durch seine politisch bewegte Vergangenheit kein Unschuldslamm und er sehr wohl imstande war, einer Fliege etwas zuleide zu tun, sagte mir mein Gefühl, dass er Natalie nicht auf dem Gewissen hatte. Aber Gefühlen sollte man nicht immer trauen, daher nahm ich einen Schluck Espresso, den Lutz kurz zuvor auf den Tisch gestellt hatte, und meinte: »Tim ist in den Augen des Gesetzes ein Verdächtigter, das ist wahr, aber wegen seiner Vergangenheit nicht mehr als jeder andere, der auf der Hochzeit war, eher, weil er sich bei der Polizei noch nicht gemeldet hat. Daher würde ich vorschlagen, Sie reden mit ihm und versuchen ihn dazu zu bringen, zur Polizei zu gehen. Wenn er nichts mit der Sache zu tun hat, hat er nichts zu befürchten. Wenn Sie wollen, kann auch ich mit ihm reden.«
Sophia nippte nachdenklich an ihrem Espre sso. »Vielleicht haben Sie ja recht. Ich möchte Tim nicht in Schwierigkeiten bringen, aber er kann sich nur reinwaschen, wenn er mit der Polizei redet.«
» Das sehe ich auch so. Möchten Sie, dass ich Sie zu ihm begleite?«
I ch wollte unbedingt mit Tim reden bevor er sich in die Hände von Schulze begab. Dass er Natalie umgebracht hatte, bezweifelte ich mittlerweile, vielleicht hatte er aber etwas Wichtiges beobachtet, etwas, was mich in meinen privaten Mordermittlungen weiterbrachte. Und, sollte er erst einmal vor Schulze & Company auftreten, hatte ich keine Chance mehr an ihn heranzukommen.
» Nein, das mache ich schon selbst, aber danke für ihre Bemühungen.« Sophia winkte ein letztes Mal den Kellner zu sich und bat um die Rechnung.
Obwohl ich wusste, dass ich zum Essen eingeladen wurde, holte ich höflichkeitshalber mein Portemonnaie aus der Tasche, doch Sophia deutete mit einer Geste an, dass sie die Rechnung selbstverständlich übernehmen würde.
Wir verabschiedeten uns am Eingang. Die Me nschenschlange hatte sich längst aufgelöst, und wurde jetzt von einer kurzen Taxischlange ersetzt. Es war den Taxifahrern bekannt, dass viele Gäste nach dem Mittagessen irgendwelche Geschäftstermine wahrnehmen mussten, und deshalb froh waren, wenn sie vor der Tür ein Taxi vorfanden.
Kurz bevor Sophia in eines einstieg, kam mir die verhängnisvolle Bemerkung über die Lippen, die ich später zutiefst bereuen würde. Warum ich sie aussprach, ist mir immer noch nicht ganz klar. Leider rutschen manchmal die Worte raus, bevor das Gehirn sein Einverständnis zur Freigabe gab.
Ich sagte zu ihr: »Übrigens bin ich in Ihre Laube nicht reingekommen. Die Tür war zu. Deswegen habe ich nichts gefunden.«
Sobald Sophias Taxi wegfuhr, stieg ich in das nächste ein. Da Sophia mir nicht erlaubt hatte, sie zu Tim zu begleiten, beschloss ich sie in den folgenden Stunden nicht aus den Augen zu lassen. Nichts deutete daraufhin, dass sie ausgerechnet jetzt zu ihm fuhr, aber das Risiko, dass sie es doch tat und ich die Gelegenheit verpasste zu erfahren, wo Tim zu finden war, wollte ich nicht eingehen.
Die Verblüffung war groß, als ich die Taxitür öffne te und auf dem Rücksitz Platz nahm.
» Guten Tag, welch eine Überraschung, Sie wieder zu sehen». Der Fahrer sah mich durch den Rückspiegel an und lächelte mir wieder freundlich zu.
» Ganz meinerseits. Zwei Mal in weniger als einer Woche. Und dann soll einer sagen, Berlin wäre eine Großstadt«, bemerkte ich freudig zurück, während ich die Tür zuschlug.
Mein Blick schweifte kurz verzüc kt durch den Wagen des singenden Spaniers, der mich erst kürzlich befördert hatte. Wieder trug er seine Stierkämpfertracht, diesmal aber ohne Hut.
» Wo soll es denn heute hingehen?«, fragte er und drehte die Musik etwas lauter. Er hatte wohl nicht vergessen, dass mir seine bevorzugte Lautstärke nichts ausmachte.
Ich richtete mein Blick wieder auf Sophias Taxi. »Können Sie bitte dem Taxi folgen, das gerade losgefahren ist?«
» Aber klar. Soll es eine Verfolgungsjagd werden, so wie im Fernsehen? Ich mag Verfolgungen.« Der nette Fahrer schaute immer noch durch den Rückspiegel, er hatte aber seinen Wagen schon gestartet.
Ich schnallte mich an,
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