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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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der sich aber eine Ordnung zeigte. Jeder setzte sich, entweder auf eine Bank oder auf den Boden. Jockel blieb weit hinten und rutschte auf die Dielen, lehnte sich mit dem Rücken gegen das warme Holz der Wand.
    Als die Tür aufging, bekam er einen Schreck und hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen. Der Mann, der die Baracke betrat, war der Pilot, der mit dem Rhönfalken neben den Feldern gelandet war. Er trug, wie einige der Älteren in der Baracke, weite Knickerbocker-Hosen. Nachdem er seinen Mantel ausgezogen und eine Baskenmütze neben sich auf einen Tisch gelegt hatte, ließ er den Blick über die Reihen schweifen. Bei Jockel blieb er kleben.
    »Ach, sieh mal an!«, rief er freundlich. »Ist dein alter Herr doch noch zur Vernunft gekommen? Das rechnen wir ihm hoch an. Ihr wart aber zu zweit, oder irre ich mich?«
    »Mein Bruder Helmuth«, sagte Jockel viel zu leise und stand auf.
    »Was? Sprich lauter!«
    Jockel wiederholte es. »Helmuth kann aber nicht.«
    »›Kann nicht‹ gibt’s nicht, Junge«, antwortete der Professor. »Sagst du uns deinen Namen?«
    Jockel versuchte, lauter zu sprechen.
    »Na, setz dich mal wieder hin, du bist ja käsebleich.«
    Jockel ließ sich wieder nieder, er presste den Hinterkopf gegen die Wand und drückte die Hände flach auf den Boden,
um dessen Festigkeit zu spüren. Im Innern wankte er. Der Professor vorne ordnete ein paar Papiere, die auf dem Tisch lagen, auf dem dicht an der hinteren Kante eine große, leer gewischte Schultafel gegen die Wand gelehnt stand.
    »Horst, fasst du mal bitte zusammen, worüber wir gestern gesprochen haben? Wiederholen lohnt sich immer. Und die Neuhinzugekommenen wollen auch was von dem Segen haben.« Er lachte Jockel zu und nickte.
    Einer der Älteren stand auf. »Wir haben drei Aufwindarten kennengelernt. Den Hangaufwind, den Wärmeaufwind und den Wolkenaufwind.«
    »Und wie unterscheiden sich die drei?«
    Einige Hände flogen hoch. Es war wie in der Schule, nur dass endlich mal etwas gelernt wurde, das wirklich interessant war.
    »Wilhelm«, sagte der Professor und nickte einem der Jüngeren zu.
    »Den Hangaufwind drückt der Hang nach oben. Den Wärmeaufwind drückt die Wärme nach oben. Und den Wolkenaufwind drücken die Wolken nach oben.«
    Ein paar der Schüler lachten. Auch Jockel musste schmunzeln.
    »Na ja«, machte der Professor. »Aber nun mal langsam. Josef hat am lautesten gelacht.«
    Josef stand auf. Seine Stimme piepste. »Die Wärme steigt adiabatisch auf.« Er setzte sich sofort wieder.
    »Und kannst du uns auch sagen, was das bedeutet?«
    Josef wurde feuerrot.
    »Immerhin hast du das Wort behalten. Beim adiabatischen Aufstieg einer Luftmenge wird keine Wärme nach außen abgegeben oder von außen hinzugeholt. So ein Luftpaket
gelangt also bei seinem Aufstieg unter einen geringeren Luftdruck und dehnt sich aus. Die für diese Ausdehnung erforderliche physikalische Arbeit erfordert eine Energiemenge, die beim adiabatischen Aufstieg nur aus der inneren Energie stammen kann. Ein adiabatisch aufsteigendes Luftpaket kühlt sich also ab …«
    Der Professor blickte prüfend durch die Reihen. Dann fuhr er fort: »Vielleicht merken wir uns einfach nur: Warme Luft steigt in kühlerer nach oben. Die Sonne erwärmt die Erde, die Erde erwärmt die Luft, die Luft steigt auf und kühlt sich ab, so lange, bis sie ihr Wasser nicht mehr halten kann, das passiert dir doch auch manchmal, Josef, oder? Und wenn die Luft das Wasser nicht mehr bei sich behalten kann, werden daraus winzige Tröpfchen und wir kriegen Nebel.« Er zeigte zum Fenster hinaus. »Wenn der Nebel ganz dicht wird und oben am Himmel hängt, sieht er aus wie ein riesiger Blumenkohl. Und was machen wir damit, Wilhelm? Kochen wir ihn in Salzwasser?«
    »Da fliegen wir hin, Herr Professor.«
    »Genau. Da fliegen wir hin, und siehe da, die Wolke drückt uns nicht nach oben, höchstens zieht sie uns herauf, aber das ist natürlich auch nicht richtig, weil uns auch die Wärme nicht nach oben drückt , Wilhelm, sondern die Wärme ist das Luftpaket selbst, in welchem wir fliegen und beim Aufstieg dieser warmen Luft sozusagen mit nach oben genommen werden, während wir eigentlich nach unten sinken. Kapiert?«
    Wilhelm nickte verlegen.
    »Die Frage ist eben: Wer ist schneller? Der Rhönfalke , wenn er sinkt, weil er keinen Propeller hat, oder das aufsteigende Luftpaket, das auch keinen Propeller hat, aber so viel
Energie, dass die Aufstiegsgeschwindigkeit der Warmluft höher ist als die

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