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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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holte den Umschlag aus ihrer Seitentasche und legte ihn aufs Bett.
    »Mach auf!« Friederikes Hände zitterten. »Hat der Herr Graf wirklich gesagt, dass du auf dem Gut wohnen darfst?«
    »Aber ja. Ich bin doch seine Tochter.«
    Friedel nahm die Fotografie aus dem Kuvert und betrachtete sie eine Weile. Plötzlich merkte Reni, dass die Freundin weinte. Sie hielten sich die Hände. Reni ließ sich gerne anstecken, es war erleichternd, mitzuweinen. Kianks Hunde schlugen draußen an und Friederike fasste sich.

    »Du bist das Glückskind, Reni. Erst wirst du den Führer treffen, dann hast du plötzlich einen Vater, und am Ende wirst du einen Brief aus Afrika erhalten, in welchem sich der Doktor Schweitzer bei dir für das Wellblech bedankt.«
    »Oje, das muss ich auch andauernd denken«, sagte Reni. »Am Sonnabend fahre ich wieder zum Vater. Wir müssen alles vorbereiten. Es gibt dort eine Hausdame, das Fräulein Dohm. Sie knickst, wenn sie mich grüßt, und bringt den Tee. Darjeeling.«
    »Was ist das?«
    »Ein besonders feiner Tee aus Westbengalen.«
    Friedel blickte Reni an, dann auf das Bild. »Sie ist so schön.«
    Reni erzählte, was sie von ihrer Mutter wusste. Während sie redete, dachte sie an ihre Zukunft. Sie würde das Abitur machen, Medizin studieren, der Vater würde sie nach Kräften unterstützen. Wie ein Puppenhaus sah sie ihr Leben vor sich und alle Einzelheiten waren fein und wohlgeordnet.
    »Er hat sie sehr geliebt«, sagte sie und nahm die Fotografie in die Hand. »Aber der Standesunterschied hat die Ehe unmöglich gemacht. Das kann man ja auch verstehen.«
    »Hast du nicht Angst, dass er mit dir streng sein wird?«
    »Natürlich wird er streng sein. Er ist der Graf und ich bin die Komtesse. Das verlangt ein Leben voller Disziplin, Termine und Verpflichtungen. Er ist von Beruf Historiker, weißt du, da muss er Vorträge halten und mit zahllosen wichtigen Leuten sprechen. Er fährt natürlich regelmäßig nach Berlin und hält sich dort in der Staatskanzlei auf und in den Ministerien oder an der Universität. Ich werde die Gräfin Viktoria von Dirksen kennenlernen und die Dichterin Agnes Miegel, deren Gedichte wir in der Schule gelernt haben. Es wird ein
neues Leben. Aber ich besuche dich bestimmt. Ich werde hier mit dem Wagen vorfahren und dich abholen, mit dem Automobil, er besitzt nämlich eines. Frau Misera kann überhaupt nichts dagegen einwenden. Wir lassen uns zum Bahnhof bringen und von dort fahren wir mit der Eisenbahn nach Berlin. Erster Klasse, versteht sich.«
    Sie mussten lachen. Friederike hatte rote Augen und einen schweren Atem.
    »Mittags werden wir in einem der besten Restaurants speisen«, schwärmte Reni weiter. »Wir sitzen dort an einem Fenstertisch und schauen auf den Kurfürstendamm. Die Tischdecke ist aus weißem Damast und das Besteck ist schweres Silber, die Teller tragen Wappen, und der Kellner spricht ganz leise und fragt, ob wir den Käsewagen wünschen.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Er rollt dann ein Wägelchen an den Tisch, auf dem liegen hundert verschiedene Käse aus Frankreich und Italien, von denen wir uns jeweils ein winziges Stückchen auf die Teller legen lassen. Das isst man mit etwas Weißbrot und trinkt dazu Wein, der acht Mark die Flasche kostet.«
    Friederike schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Und wenn wir gegessen haben, fahren wir mit der Autodroschke zu Wertheim in der Leipziger Straße und probieren die neuesten Hüte aus.«
    »Aber du wirst doch Ärztin«, sagte Friedel.
    »Ja, tragen Ärztinnen denn keine Hüte? Ich werde eine regelmäßige Schiffspassage nach Afrika buchen. Da steht man nicht mit einem Tropenhelm auf Deck, das gehört sich nicht. Ich könnte die Aufgabe übernehmen, den Transport der nötigen medizinischen Dinge zu überwachen, ich meine, neben
meiner Tätigkeit als Ärztin. Der Oganga ist bestimmt dankbar, wenn er jemanden hat, der es an seiner statt erledigt.«
    »Und dein Papa und die Mama aus deinen Erzählungen?«
    »Die werden für immer in meiner Fantasie bleiben, Friedel.« Reni merkte, dass es Friedel nicht sonderlich gut ging. »Du musst jetzt tüchtig schlafen«, sagte sie. »Damit es dir morgen wieder besser geht. Ich frage gleich mal in der Küche nach, ob ich dir nachher das Abendbrot heraufbringen darf, dann haben wir noch ein Weilchen zusammen.«
    »Ja, gerne«, hauchte Friederike so leise, dass Reni es kaum hörte. Sie blieb einen Moment am Bett stehen, dann war Friedel eingeschlafen. Reni

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