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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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legte die Fotografie der Mutter in den Umschlag zurück und verließ den Schlafsaal.
    Als sie nach unten kam, kehrten die anderen von den Arbeiten in einem der gepachteten Ställe zurück; für den Gemüsegarten war es zu nass gewesen. Hilde kam Reni entgegen, wischte sich die Hände an ihrem blauen Kittel ab und flüsterte: »Hast du schon davon gehört?«
    »Was denn?«
    Hilde blickte um sich. »Kiank hat eben erzählt, dass drüben bei Schwarzerden ein Knecht vom Schlömerhof tot in einem Heufeld liegt. Und jetzt suchen sie den Jockel.«
    »Den habe ich eben auf dem Weg hierher gesehen«, sagte Reni. »Er war vom Regen völlig durchnässt.«
    »Er ist der Mörder, heißt es«, erwiderte Hilde leise.
    Reni erschrak. In diesem Augenblick kam Karin in das Zimmer. Sie wusste ebenfalls Bescheid. »Kiank sagt, der Knecht hat einen Sensenschnitt im Nacken. Er ist verblutet.«
    Reni schüttelte den Kopf. Jetzt kam Fräulein Kaul und trieb den Rest der Mädel vor sich her. »Umziehen, mein Damen, waschen, wenn ich bitten darf, und fix!«

    »Da war ein zweiter Knecht mit auf dem Feld«, erzählte Karin, als die Erzieherin gegangen war. »Der hat gesehen, wie sie gerangelt haben, Jockel mit dem anderen, der tot ist. In diesem Feld, das sie mähen sollten. Der Jockel ist weggerannt und der mit der Sense im Rücken hat noch ein paar Minuten gelebt.«
    »Er ist auf der Flucht, der Jockel«, flüsterte Hilde und zog sich ihren Kittel aus. »Sein Bruder ist auch abgehauen, sagt Kiank.«
    »Der war dabei?«, fragte Reni.
    »Weiß ich nicht. Die Polizei fährt von Hof zu Hof und befragt die Leute. Du musst sagen, dass du ihn gesehen hast.«
    Reni war zu schockiert, um darauf einzugehen. Sie hörte die Geräusche: der Sensenhieb ins reife Gras oder Getreide, der während der Erntezeit von allen Feldern warm und sommerlich zu hören war, und das metallene Schleifen, wenn die Mäher ab und zu mit einem Stein nachschärften.
    Eines der jüngeren Mädchen steckte den Kopf durch eine Tür. »Reni, Frau Misera möchte mit dir sprechen. Du musst sofort zu ihr kommen.«
    Als Reni das Büro der Leiterin betrat, hielt Frau Misera den Telefonhörer in der Hand. Sie gab Reni einen Wink, sich zu setzen, horchte in den Hörer und stand plötzlich von ihrem Schreibtischstuhl auf.
    »Aber natürlich war dieser Junge noch nie auch nur in der Nähe unseres Hauses. Die Mädel kennen ihn und seinesgleichen überhaupt nicht.« Sie hörte wieder zu. Dann sagte sie: »Na gut, wenn es unbedingt sein muss. Ich muss Sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass ich unseren Vorstand benachrichtigen werde, der über ausgezeichnete Verbindungen
verfügt … Ja, gut. Auf Wiederhören.« Sie legte den Hörer in die Gabel und nahm wieder Platz.
    »Ich nehme an, Reni«, fuhr sie fort, »du hast von dieser entsetzlichen Sache gehört. Die Polizei will sich nicht da – von abhalten lassen, herzukommen und euch zu befragen, uns alle vermutlich. Und das ein paar Tage vor deiner Begegnung in Berlin. Offenbar wissen diese Herren, dass wir freiwillige Feldeinsätze durchführen, und da bestehe nun mal die Möglichkeit, dass jemand diesen Jungen kennt oder zumindest mit ihm geredet hat. So ein Unsinn.« Sie verzog den Mund.
    »Ich habe ihn vorhin gesehen, Frau Misera.«
    »Wie bitte?«
    »Als ich im Wagen des Herrn Grafen heimgekommen bin.«
    »Du kennst diesen Jungen?«
    »Er hat ein paarmal mit uns im Feld gearbeitet. Er und sein Bruder.« Sie erzählte von der Flugzeuglandung.
    »Davon hat Fräulein Kaul mir gar nichts gesagt.«
    Reni erklärte, dass keinerlei Gefahr bestanden habe und dass das Flugzeug auseinandergenommen und abtransportiert worden sei. Jockel habe vieles über die Fliegerei erzählt.
    »Selbstverständlich wirst du das diesen Herren von der Polizei sagen. Wir bleiben aufrichtig und sie finden es sowieso heraus. Nur möchte ich dich bitten, das Treffen in Berlin nicht zu erwähnen. Man würde sich sofort an die Staatskanzlei wenden, und wer weiß, wie sich das am Ende aufschaukelt. Da ist nun ein Unglück geschehen, und wir müssen sehen, wie wir schadlos aus dieser Sache herauskommen. Ich werde mich mit Graf Haardt in Verbindung setzen, damit er nicht aus allen Wolken fällt. Wenn du jetzt zu den anderen gehst, dann vermeide bitte, dass ihr darüber redet, oder halte dich wenigstens zurück, wenn sie um dich her tratschen, und das
werden sie mit Sicherheit tun. Wir werden in dieser Angelegenheit größtes Fingerspitzengefühl beweisen müssen, hast

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