Blumen Für Sein Grab
stürzten Meredith und Hawkins durch das Zimmer. Nevil befand sich in einer halb sitzenden, halb liegenden Position auf dem Fußboden, mit dem Rücken gegen den Schrank gelehnt. Aus seinem Brustbein ragte der Griff eines Messers. Seine Brille war heruntergefallen, und er sah mit offenen Augen und einem Ausdruck der Überraschung im Gesicht zu ihnen hinauf. Also hatte ich die ganze Zeit über Recht, dachte Meredith ziemlich zusammenhanglos. Ohne seine Brille sieht er gut aus! Doch das spielte keine Rolle mehr, denn Nevil James war tot.
KAPITEL 22
»Ich hätte ihn retten können!«, sagte Meredith zum wiederholten Male.
»Hör endlich auf damit!«, entgegnete Rachel verärgert.
»Das halte ich für absolut ausgeschlossen! Er hätte euch beide getötet!« Meredith saß auf dem gemütlichen Sofa. Sie zog die Füße an und versuchte angestrengt, ihren Verstand abzulenken, vergebens. Der Regen, der die letzten achtundvierzig Stunden am Himmel gehangen hatte, hatte endlich eingesetzt. Es war ein beständiges Nieseln, das die Luft mit Feuchtigkeit erfüllte und die Fenster mit einem feinen Muster aus Tropfen überzog, sodass man nicht nach draußen sehen konnte. Das Licht um halb zwölf am späten Vormittag war so erbärmlich, dass Rachel eine Tischlampe eingeschaltet hatte, damit sie ihre Post lesen konnte. Meredith wünschte, sie könnte sich davon überzeugen, dass Rachel Recht hatte mit ihrer Meinung und dass sie nichts, aber auch gar nichts hätte unternehmen können, um Nevils Leben zu retten. Doch in ihr nagte hartnäckig der Gedanke, dass sie die Tragödie hätte abwenden können, wenn sie nur ihre Angst überwunden hätte und aus dem Schrank gestürzt wäre, um Nevil zu warnen, ohne Rücksicht auf das Risiko, dem sie sich damit ausgesetzt hätte. Wenn Martin sich plötzlich zwei Personen gegenübergesehen hätte, wäre er wahrscheinlich gleich geflohen, statt alle beide anzugreifen. Meredith hatte Molly James seit der grausigen Entdeckung noch nicht gesehen, und sie fürchtete den Augenblick, an dem sie ihr das nächste Mal begegnete. Mollys Leben musste in sich zusammengestürzt sein. Zuerst Gillian und jetzt ihr eigener Sohn. Rein technisch betrachtet – wie wollte sie jetzt ihre Tierpension weiterführen? Eine neue Hilfe einstellen, vermutete Meredith, falls jemand in der Gegend zu finden war und falls Molly es ertragen konnte, in einer Umgebung voller Dinge zu leben, die sie an ihren Verlust erinnerten. Vielleicht würde sie einfach verkaufen und aus Lynstone weggehen. Doch Molly war niemand, der aufsteckte. Sie würde sich irgendwie durchbeißen.
»Es ist für mich noch viel schlimmer, verstehst du?«, sagte Rachel missmutig.
»Jetzt sagen die Leute, ich hätte Alex’ Mörder bei mir aufgenommen! Tag für Tag habe ich diesen Mistkerl gesehen und mit ihm geredet! Ich kann es immer noch nicht glauben – aber Hawkins lässt mich nicht einen Augenblick zu Atem kommen!« Sie hob den Brief, den sie gerade las, und schüttelte ihn in Merediths Richtung.
»Weißt du, er glaubt, ich hätte etwas mit Alex’ Tod zu tun! Ich bin ganz sicher, dass er das glaubt, ich sehe es an der Art und Weise, wie er mich anstarrt und wie er seine gemeinen Fragen stellt! Ich sage ihm immer wieder, dass Alex mein Leben war! Ich hätte niemals zugelassen, dass ihm irgendetwas geschieht, und bestimmt hätte ich ihm nichts angetan! Ganz im Gegenteil – ich hätte alles, alles nur Denkbare unternommen, um meinen armen Alex zu schützen!« Ihre Stimme vibrierte vor wilder Entschlossenheit, die nach Merediths Meinung unmöglich falsch sein konnte. Rachel sprach die Wahrheit. Sie hätte Alex keinen Schaden zugefügt. Doch was hatte Martin nach England geführt und auf seine tödliche Mission geschickt?
»Es ist nur, dass Hawkins versucht, ein Motiv für Martins Handlungsweise zu finden, Rachel. Er wird fortfahren Fragen zu stellen. Du hast Martin schließlich eine Anstellung gegeben.«
»Nicht ich, sondern Alex! Martin hat ihm Leid getan, und er wollte ihm helfen! Alex war so! Impulsiv und gutmütig! Dieser mörderische Bastard hat sich bei uns eingeschmeichelt! Ich hatte nichts damit zu tun!«
»Du bist trotzdem die einzige noch lebende Person, die Martin einigermaßen gut kannte. Und da Martin nicht greifbar ist, kann Hawkins allein dich über ihn befragen.« Meredith schürzte die Lippen.
»Vielleicht hat es ja etwas mit Alex’ altem Leben im Libanon zu tun. Weißt du irgendetwas darüber, Rachel?«
»Nein!«, entgegnete
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