Blut muss fließen
… Das nächste Mal klappt’s wieder, auch wenn am Sonnabend alles sehr frustrierend war.«
Die Baden-Württemberger Polizei hatte Hartwin Kalmus also im Visier. Und der Verfassungsschutz? Er vermerkte im Jahresbericht 2006, dass sich »die Veranstalter des Karlsruher Konzertes – wie in der Szene mittlerweile üblich – im Vorfeld sehr konspirativ verhalten hatten«. Die Anhaltspunkte auf einen Bezug zum verbotenen Netzwerk Blood & Honour erwähnte der Geheimdienst nicht.
Das Landeskriminalamt verdächtige Kalmus unterdessen, Rädelsführer einer Nachfolgeorganisation von Blood & Honour zu sein. Die Ermittlungen zogen Verfahren in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen nach sich. Am 7. März 2006 schlugen die Beamten länderübergreifend zu: »Bundesweit wurden heute bei insgesamt 79 mutmaßlichen B&H-Angehörigen und -Unterstützern 120 Objekte durchsucht.« Dem Baden-Württemberger Verfassungsschutz war diese »umfangreichste Exekutivmaßnahme gegen B&H-Ange- hörige seit dem Verbot« einen ganzen Absatz in seinem 294-seitigen Jahresbericht 2006 wert. Die Behörde brach in diesem Zusammenhang ihr Schweigen, was die Aktivitäten ehemaliger Führungskader im »Ländle« betrifft: »Die deutsche ›Division‹ der neonazistisch geprägten Skinhead-Organisation Blood & Honour (B&H) wurde bereits im September 2000 verboten. Dennoch wurden vor allem in Südwestdeutschland seit 2003 Nachfolgebestrebungen beobachtet. Dabei blieben maßgebliche Personen weitgehend in ihrem frühe | 94 | ren Hauptbetätigungsfeld – der Organisation rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte – aktiv.«
Noch im Bericht des Vorjahres hatte das Landesamt die Problematik heruntergespielt: »Die deutsche ›Division‹ der neonazistisch geprägten Skinhead-Organisation Blood & Honour (B&H) ist bereits seit September 2000 verboten. Allerdings sind ehemalige Mitglieder früherer B&H-Sektionen nach wie vor in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene präsent. Zudem bestehen B&H-Strukturen im benachbarten Ausland (zum Beispiel in der Schweiz und in Österreich).« Zusammengefasst: Laut Verfassungsschutz gab es bis Ende des Jahres 2005 nur eine Präsenz von ehemaligen B&H-Mitgliedern in der Skinhead-Szene – nach der polizeilichen Razzia im März 2006 auf einmal »seit 2003 Nachfolgebestrebungen in Südwestdeutschland«. So viel zur zurückhaltenden Informationspolitik der Landesbehörde, was das Wirkungsfeld von Hartwin Kalmus betraf.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg interessierten sich – neben Kalmus – für 18 weitere »ehemalige Funktionäre und Unterstützer« des verbotenen Netzwerks: »Die Verdächtigen im Alter von 20 bis 39 Jahren, die auch Kontakte in verschiedene EU-Staaten sowie in die USA pflegen, sollen vor allem durch den Verkauf von Tonträgern und die Veranstaltung einschlägiger Konzerte nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut weiterhin verbreitet und die verbotene Organisation fortgeführt haben.« Und: »Bei den Durchsuchungen wurde umfangreiches Beweismaterial, darunter CDs, DVDs, Computer, zahlreiche einschlägige T-Shirts und Transparente sowie Schriftgut, sichergestellt.«
Angeblich um den Kameraden besorgt, erkundigte ich mich bei Kalmus unter einem meiner Pseudonyme, ob er auch Polizeibesuch gehabt habe – ich bezog mich dabei auf entsprechende Presseberichte. Er bestätigte das: »Naja, jetzt ist mal wieder so einiges weg, kann ne Weile dauern, bis ich’s wieder bekomm.« Wobei er anmerkte: »Den Versand haben sie weitgehend in Ruhe gelassen.« Und er gab sich sicher, dass »die Sache eh im Sande verlaufen« werde.
Tatsächlich sollte Kalmus letztlich mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Das Landgericht Karlsruhe informierte am 23. März 2011 über das Urteil: | 95 |
»Die 5. Große Strafkammer (Staatsschutzkammer) des Landgerichts Karlsruhe verurteilte heute einen 38-jährigen Karlsruher sowie einen 41 Jahre alten Mannheimer wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Vereinigung Blood & Honour Division Deutschland, die im Wesentlichen die Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie zum Ziel hat und seit Juni 2001 bestandskräftig verboten ist. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der jüngere der beiden Angeklagten sich als Rädelsführer und der zweite Angeklagte sich als Mitglied der verbotenen Vereinigung im
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