Zeitraum von April 2004 bis März 2006 betätigt haben, indem sie insbesondere Skinhead-Konzerte organisiert, an überregionalen Zusammenkünften innerhalb der Vereinigung teilgenommen und Außenkontakte zu anderen Organisationen gepflegt haben.«
In Hartwin Kalmus hatten die Richter also den Rädelsführer ausgemacht.
Möglicherweise war die jahrelange Zurückhaltung des Verfassungsschutzes im Fall Kalmus nicht nur mir aufgefallen. Ihm schlug plötzlich Misstrauen entgegen, es gab Zoff in der Szene. Nach einem Ian-Stuart-Memorial am 14. Oktober 2006 in Belgien las ich im Hatecore-Forum der Nazis folgende Frage: »Mich würde mal interessieren, wie es dem Händler geht, der so brutal zusammengeschlagen worden ist, und wieso er zusammengeschlagen worden ist?« Von anderer Seite wurde bestätigt: »Also dem Verkäufer wird es wohl nicht so gut gehen. Er wurde zweimal bearbeitet. Und das zweite Mal auch recht lange.« Ein Dritter wusste mehr: »Leider musste ich erfahren, dass der Verkäufer der Hartwin von Ragnarök Records war, der ziemlich schlimm bearbeitet wurde.« Kamerad Kalmus spielte den Vorfall auf meine Nachfrage hin herunter: »Ja – in Belgien gab’s ziemlich auf den Kopf für mich. Viel passiert ist mir aber nicht, ne ordentliche Platzwunde – das war aber dann auch schon alles.«
Schon ein knappes Jahr vorher war Hartwin Kalmus unter seinesgleichen in die Kritik geraten, weil er als Vize eines B&H-Ablegers galt, der für einen Überfall auf »Kameraden« verantwortlich gemacht wurde. Laut Szeneberichten im Internet sollen rund 30 Leute dieser B&H-Nachfolgeorganisation am 5. November 2005 ein | 96 | Rechtsrockkonzert des Nibelungensturms Odenwald heimgesucht haben. Der Grund war angeblich »eine Streitigkeit mit einem der Veranstalter«. Um was es dabei ging? Ein Forenschreiber meinte, es sei jemandem das Recht abgesprochen worden, ein B&H-Supporter- Shirt zu tragen – vermutlich von jenem Veranstalter des daraufhin zerschlagenen Konzerts. Das klingt absurd, aber wer weiß . Was da am Abend des 5. November 2005 passiert sein soll, klingt schließlich ebenfalls absurd. Aber das wurde in mehreren Beiträgen übereinstimmend geschildert. Hier eine dieser Schilderungen:
»Gegen 21.40 Uhr sind mehrere Mitglieder der Organisation in die Halle, in der das Konzert stattfand, eingedrungen, sprangen über die Theke, schlugen alle Mitglieder der veranstaltenden Kameradschaft nieder, rissen ihnen die T-Hemden der Kameradschaft vom Leib oder zwangen sie, diese auszuziehen. Danach wurde die Kasse mit den Eintrittsgeldern dem Mädchen am Eingang gewaltsam geraubt. Bevor die Mitglieder der Organisation unter schallendem Gelächter in ihre sieben Autos stiegen und davonfuhren, wurden die T-Hemden und das Banner der Kameradschaft auf dem angrenzenden Sportgelände verbrannt.«
Ehemalige B&H-Mitglieder sahen sich daraufhin zu einer Stellungnahme veranlasst, die auf der Homepage von Barbarossa Records veröffentlicht wurde: »Wir Unterzeichner, die wir bis zum Verbot im Oktober 2000 die Blood-and-Honour-Bewegung mit Leben erfüllten, sind entsetzt, mit welchen kriminellen Mitteln in diesem Namen heute vorgegangen wird. Der brutale Raubüberfall auf ein Konzert am 5. November 2005 in der Nähe von Heppenheim ist da nur die Spitze des Eisbergs. Schlägereien, Schutzgelderpressungen und vieles mehr sind in Süddeutschland an der Tagesordnung.« Unter den Unterzeichnern war der ehemalige Führer der Sektion Rheinland-Pfalz, Christian »Hehli« Hehl.
Nachdem Antifaschisten das Internetforum der Freien Kameradschaften Rhein-Neckar gehackt hatten, wurde ein Diskussionsbeitrag von »Hehli« vom 7. November 2005 öffentlich, bezogen auf den Überfall zwei Tage zuvor: »Fragt mal, wie der H. dazu steht! Schließlich ist er zweiter Chef von dieser Gang . Und überlegt sich jeder, ob er da noch CDs und ähnliches kauft oder überhaupt Produkte | 97 | von Ragnarök Records! Seine E-Mail ist
[email protected]. Sollte jeder mal nachfragen!«
Ohne diesen Tipp von Hehli zum damaligen Zeitpunkt gekannt zu haben, fragte ich am 8. November 2005 bei Kalmus nach, was es mit diesem Konzertüberfall auf sich gehabt habe. In Anbetracht des Aufruhrs in der Szene fiel seine Antwort überraschend gelassen aus, er versuchte, den Vorfall herunterzuspielen: »Heppenheim hört sich natürlich auf den ersten Blick sehr übel an, aber weißt ja selbst, nix wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich denk mal, dass das Internet wieder