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Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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warf sie die Barren aus Silberpapier, einen nach dem anderen, ins Feuer und murmelte dabei vor sich hin, in dem verzweifelten Versuch, Kontakt zu ihren Verstorbenen aufzunehmen. Sie erinnerte ihn daran, daß die Nacht der Wintersonnenwende angebrochen war.
    Im chinesischen Mondkalender war dongzhi die längste Nacht des Jahres und zugleich ein bedeutsamer Wendepunkt im dualistischen System von yin und yang . Wenn yin seinen Höhepunkt erreicht hat, wandelt es sich in sein Gegenteil, in yang . Diese Nacht der Extreme war der Begegnung von Lebenden und Toten geweiht.
    In Chens Kinderzeit war dongzhi mit einem wunderbaren Mahl begangen worden, dessen Besonderheit darin bestand, daß die Gerichte vor dem Ahnenschrein unangetastet bleiben mußten, bis die Kerzen heruntergebrannt waren. Erst dann konnte man sicher sein, daß die Verstorbenen sie konsumiert hatten. Plötzlich mußte er an seine Mutter denken, die er ja heute morgen hatte besuchen wollen. Nun würde sie allein in ihrer Dachkammer das Totengeld verbrennen.
    Vielleicht war es ja kein Zufall, daß er ausgerechnet an dongzhi mit Jia zusammentraf. Ein Zeichen, daß das Blatt sich wenden würde.
    Inzwischen hatte er das Alte Herrenhaus erreicht.
    Die Empfangsdame hielt ihm respektvoll die Tür auf. Es war nicht dieselbe wie das letzte Mal, sie kannte ihn nicht.
    Überseechinese Lu und Weiße Wolke standen bereits in der Lobby. Lu trug einen schwarzen Dreiteiler mit geblümter Krawatte, dazu mehrere Diamantringe an den Fingern; Weiße Wolke hatte den roten qipao an, den er ihr auf dem Tempelmarkt gekauft hatte.
    »Der Besitzer wird in jeder Weise kooperieren«, teilte Lu ihm triumphierend mit. »Er hat mir die Aufsicht über dein Séparée übertragen. Ich werde dir ein unglaubliches Festmahl bereiten.«
    »Dank dir, Lu«, sagte Chen und wandte sich Weißer Wolke zu, der er einen Umschlag zusteckte. »Auch Ihnen herzlichen Dank, Weiße Wolke. Sie treten zunächst in der Kleidung einer normalen Bedienung auf und servieren für uns. Natürlich müssen Sie nicht die ganze Zeit präsent sein. Bringen Sie einfach, was Lu für uns zubereitet. Erst auf mein Zeichen hin erscheinen sie dann in genau derselben Aufmachung wie die Frau auf diesem Foto.«
    »Ein roter qipao «, sagte sie und sah sich die Bilder aus dem Umschlag an. »Barfuß, die Knöpfe am Busen geöffnet, die Seitenschlitze eingerissen?«
    »Genau so. Reißen Sie die Schlitze ruhig ein«, fügte Chen hinzu. »Ich werde Ihnen das Kleid ersetzen.«
    »Gütiger Himmel«, rief Lu, als er einen Blick auf das Bild in ihrer Hand erhaschte.
    Chen verließ noch einmal das Lokal und begab sich zu dem wenige Gehminuten entfernten Hotel.
    Er stand noch nicht lange unter dem Torbogen, als ein weißer Camry in die Einfahrt bog. Ein weiterer Wagen, vermutlich der von Yu, blieb in einiger Entfernung stehen.
    Jia stieg aus, und Chen streckte ihm die Hand entgegen. Der hochgewachsene Mann Ende Dreißig stand blaß und etwas verwirrt unter den tanzenden Neonlichtern.
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie ein Treffen so kurzfristig einrichten konnten, Herr Jia. Meine Sekretärin hat ein Séparée im Alten Herrenhaus für uns reserviert. Das ist ganz in der Nähe. Sie haben doch sicher schon von diesem Lokal gehört.«
    »Das Alte Herrenhaus! Sie haben unseren Treffpunkt mit Bedacht gewählt, Oberinspektor Chen.«
    Die Antwort war ausweichend, ließ aber eine gewisse Anerkennung für Chens gründliche Vorbereitung durchblicken.
    Die Empfangsdame am Eingang des Restaurants verbeugte sich anmutig, sie glich der Blume auf der alten Bildrolle, die hinter ihr hing. »Willkommen. Fühlen Sie sich heute abend hier wie zu Hause.«
    Die Ankunft einiger PR-Mädchen holte die Gäste gleich in die Gegenwart zurück. »Zu Hause«, wiederholte Jia mit sarkastischem Unterton und sah sich die Schärpen an, die sich die Mädchen umgelegt hatten: »Tiger Girl«, »Qingdao Girl«, »Baiwei Girl«, »Sakura Girl«.
    Die Empfangsdame führte sie durch die Lobby in ein elegant ausgestattetes Séparée für bevorzugte Gäste, das ursprünglich der Wintergarten der Villa gewesen sein mußte. Von dort hatte man einen Blick in den selbst im tiefen Winter attraktiv gestalteten Garten. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt, Silberbesteck schimmerte unter dem Kristalllüster. Auch eine zierliche Silberglocke stand bereit. Auf der Drehscheibe in der Mitte warteten bereits acht kleine Vorspeisen.
    Weiße Wolke kam herein, goß Tee ein und legte jedem

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