Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und rote Seide

Blut und rote Seide

Titel: Blut und rote Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
Vom Netzwerk:
mal mit dir reden. Das Restaurant wirft seit gut einem halben Jahr keinen Gewinn mehr ab. Der Sozialismus geht vor die Hunde, und man spricht bereits von neuen Formen des Managements.«
    Peiqin hob den Deckel und lächelte. »Oh, das ist ja wunderbar. Ich meine natürlich das Essen.« Es war die Spezialität des Hauses: Karpfenkopf auf einem Bett aus Knoblauch, bedeckt mit roten Chilischoten.
    »In dem Tontopf bleibt das Gericht lange heiß. Verbrenn dich nicht«, sagte Pan und rieb sich die Hände. »In China ist eine Mittelschicht entstanden, die von einem Restaurantbesuch mehr erwartet als Hausmannskost, wie sie die Leute selbst kochen. Wir müssen unser Angebot umstellen. Wie wär’s, wenn du die Geschäftsleitung übernehmen würdest? Ich stehe hinter dir. Sozialistisch oder kapitalistisch, dieses Restaurant gehört uns.«
    »Danke, Pan. Ich werde darüber nachdenken«, erwiderte sie. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ausreichend qualifiziert bin für eine solche Aufgabe.«
    »Überleg es dir«, sagte er, während er sich zum Gehen wandte. »Man weiß nie, wozu man fähig ist, solange man es nicht probiert hat.«
    Während sie einen Löffel von der Brühe nahm, dachte sie, daß sie das Restaurant tatsächlich besser – oder zumindest gewissenhafter – führen könnte als die derzeitige Geschäftsleitung. Doch wie würde sich das auf ihr Familienleben auswirken? Qinqin bereitete sich intensiv auf die zentrale Uni-Aufnahmeprüfung vor. Der Besuch einer Spitzenuniversität war für seine künftige Karriere unabdingbar. Auch Yu hatte einen kritischen Punkt in seiner Laufbahn erreicht. Sie wurde zu Hause gebraucht.
    Nach dem Essen konnte sie sich nur schwer wieder auf die Bücher konzentrieren. Unten in der Küche gab es offenbar Streit. Dann rief Hua an, um zu sagen, daß er heute nicht mehr käme. Das paßte Peiqin gut, denn ihr war eine neue Idee gekommen, und sie beschloß, den Nachmittag ebenfalls freizunehmen.
    Vielleicht würden ihr Filme weiterhelfen. Sie vermutete, daß der rote qipao eine spezifische Bedeutung hatte, von der sie in ihrem unspektakulären Leben nichts ahnte. Also machte sie sich auf den Weg zu einem DVD-Shop an der Sichuan Lu. Es war kälter geworden, und sie zog die wattierte Armeejacke fester um sich, ein Relikt aus den Jahren auf der Farm in Yunnan. Auch Armeejacken – natürlich Imitate gleichen Zuschnitts – schienen jetzt wieder in Mode zu kommen.
    Der Laden war riesig, Tausende von VCDs und DVDs füllten die Regale. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie einige Filme, die offiziell noch gar nicht angelaufen waren.
    »Wie kann es davon schon DVDs geben?« fragte sie den Ladenbesitzer, der Stammgast in ihrem Restaurant war.
    »Kein Problem. Es gibt Leute, die sich mit einem Camcorder in die Previews schwindeln«, erklärte er mit breitem Grinsen. »Wir bürgen für Qualität. Sie bekommen Ihr Geld zurück, wenn Sie nicht zufrieden sind.«
    Sie dankte für die Auskunft und sah sich um. In der Abteilung »Westliche Klassiker« stieß sie auf einen Film mit dem Titel Random Harvest , die Adaptation eines Romans von James Hilton. Yu hatte ihr erzählt, dies sei der erste Roman gewesen, den Chen im Bundpark auf englisch gelesen hatte. Die chinesische Version hatte den interessanten Titel: Ein Mandarinentenpaar träumt noch einmal seinen Traum. In der klassischen chinesischen Lyrik galten Mandarinenten als Symbol für ein unzertrennliches Liebespaar. Eine Liebesgeschichte also. Sie legte den Film in ihren Einkaufskorb.
    In der chinesischen Abteilung entschied sie sich für Tagebuch einer Krankenschwester, ein Film aus den fünfziger Jahren. Sie erinnerte sich an das Plakat, auf dem die junge Krankenschwester in einem qipao zu sehen gewesen war. Auch dies eine Liebesgeschichte. Dann wählte sie noch Das goldene Joch , die in Hongkong gedrehte Verfilmung einer Erzählung von Eileen Chang.
    Eine Dokumentation über die Mode jener Zeit konnte sie ebensowenig finden wie einen Film, der das Wort qipao im Titel trug.
     
    Zu Hause schaltete sie sofort den DVD-Spieler ein. Ihr blieben noch ein paar Stunden Zeit, bevor sie sich ums Abendessen kümmern mußte. Sie zog Schuhe und Socken aus, machte es sich auf dem Sofa bequem und bedeckte die Füße mit einem Kissen.
    Random Harvest sah sie sich nur etwa zehn Minuten lang an. Diese alten Hollywood-Schinken gefielen ihr nicht. Sie fragte sich, was Chen davon halten würde.
    Tagebuch einer Krankenschwester war da schon etwas anderes: Es ging um

Weitere Kostenlose Bücher