Blutbraut
hinter ihm her. Sosehr ich mich auch bemühte: Ich konnte nicht atmen. »Komm, meine Liebe. Mein Enkel erwartet dich bereits.« Verzweifelt sah ich mich nach Cris um. Hilf mir! Bitte!
Mit zwei Schritten war er neben mir, fasste seinerseits nach meinem Arm. »Großvater, Lucinda hat Angst. Vielleicht sollte ich sie zu …«, setzte er an, doch eine knappe Geste verhinderte, dass er weitersprach.
»Nein, du wartest hier. – Es ist nicht nötig, dass dein Bruder dich jetzt schon sieht und deshalb später noch schlechter auf dich zu sprechen ist.«
Zwischen Cris’ Brauen erschien eine steile Falte. »Soll er. Wann wäre Joaquín schon mal gut auf mich zu sprechen gewesen.
Aber ich will nicht, dass Lucinda …« Er verstummte, als die Tür aufschwang und die beiden Nosferatu hereinkamen. Als hätte sein Großvater sie hereingerufen.
»Mein Enkel wird in meinem privaten Salon auf mich warten. « Schweigend schoben sie sich zwischen uns. Der Rothaarige nickte, als wären die Worte direkt an ihn gerichtet gewesen. Cris blickte zwischen mir und seinem Großvater hin und her. Etwas in mir schrie auf, doch alles, was über meine Lippen kam, war ein Schluchzen. Und für eine Sekunde schien es, als wollte er uns doch folgen. Die Hand des Rothaarigen an seiner Schulter stoppte ihn. Der Ausdruck in Cris’ Gesicht, seinen Augen hatte sich verändert. Ich sah, wie er die Fäuste ballte. »Dir wird nichts geschehen, Lucinda. Ich verspreche es!«
Wie oft hatte ich das von ihm in der letzten Stunde schon gehört? Wie konnte Cris das auch nur eine Sekunde selbst glauben? Dann hatte sein Großvater mich schon endgültig aus dem Raum gezerrt. Der Dunkle der beiden Nosferatu schloss die Tür hinter uns, ehe er uns folgte. Jesús de Alvaro beachtete ihn ebenso wenig wie meine Versuche, mich gegen seinen Griff zu stemmen, meine Finger unter seine an meinem Handgelenk zu zwingen und gleichzeitig irgendwie Luft zu bekommen. Erfolglos. In allen Fällen. Abgesehen davon, dass ich spürte, wie seine Fingernägel sich in meine Haut bohrten. Und Blut darunter hervorquoll. Außer einem hohen Stöhnen brachte ich keinen Ton heraus; auch wenn ich ihn fragen wollte, welches Spiel er tatsächlich mit uns spielte; was meine Rolle darin war, was Cris’ und was Joaquíns. Ich stolperte einfach nur neben ihm her; wie betäubt vor Grauen, suchte knapp vor der Panik nach einem Fluchtweg. Eine Treppe führte nach oben. Ansonsten verschlossene Türen überall, hinter denen sich der Himmel
was verbergen mochte. Keine Fenster. Licht kam von Kronleuchtern unter der Decke.
Er zerrte mich einen Korridor entlang, noch einen, vorbei an unzähligen Türen, eine steile Treppe hinunter; einen Gang entlang, unter kahlen Glühbirnen in Drahtkäfigen hindurch … ich bemühte mich, zu atmen. Irgendwie.
Als er endlich vor einer schweren Eisentür irgendwo im Keller anhielt, war mir schwindlig. Ein blonder Nosferatu stand davor Wache. Er gab ihm ein Zeichen, zog mich zu sich herum. Hinter mir schabten die Riegel der Tür, rasselte eine Kette. »Lass mich dich noch ein bisschen begehrenswerter für deinen Liebsten machen, querida.« Eine Bewegung nach meiner Kehle. Krallen auf meiner Haut. Schmerz. Ich schrie auf. Drückte die Hand gegen meinen Hals. Spürte das Blut darunter. Wie es abwärtsrann. Einer der Nosferatu hinter mir knurrte. Meine Lungen verweigerten endgültig den Dienst. Wie eine Puppe drehte er mich um, schrieb an mir vorbei irgendwelche Siegel auf die Tür, löschte andere aus. Der dunkelhaarige Nosferatu öffnete sie. Schatten klafften vor mir. Er versetzte mir einen Stoß, der mich tief in sie hineinbeförderte, mich auf Hände und Knie fallen ließ. Die Tür wurde geschlossen.
»Schau, wen ich dir hier bringe, Joaquín.« Jesús de Alvaros Stimme klang höhnisch sanft.
Stille! Ich versuchte zu atmen; irgendwie. Und schrie erschrocken, als unvermittelt Flammen um mich herum aufflackerten. Entlang einer Rinne im Boden. Einen fünfzackigen Stern bildeten, der mich einschloss.
Gemauerte Pfeiler an seinen Spitzen trugen die Decke.
Die Wände waren mit rotem Graffiti bedeckt.
Im ersten Moment war ich zurückgezuckt, doch jetzt lag
ich wieder wie erstarrt halb auf den Knien, blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit an, versuchte, mehr als nur Schatten in der Dunkelheit jenseits der Feuerlinie zu erkennen. »Der Hunger brennt in dir, mein Junge. Du hast viel zu lange nicht getrunken. Ihr Blut ist süß. Hol sie dir!« Ich konnte Jesús de Alvaro und
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