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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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geschlossene Tastenklappe. Taderamtamtam-taderamtamtam-taderam-taderam-taderamtamtam … Ich hielt in der Bewegung inne, starrte auf den spiegelnden Lack. Dieses schwarze Monstrum von einem Flügel hatte etwas seltsam Vertrautes. Auch hier zu sitzen, war … vertraut. Ich zog die Hand zurück. Cris hatte gesagt, ich hätte hier
auf Santa Reyada gelebt. Wie von selbst wanderte mein Blick durch die Halle. Die schweren, dunklen Balken, die die weiß getünchte Decke trugen; die schlicht weiß verputzten Wände; die hellen Steinfliesen mit ihren Teppichen; die eleganten und zugleich irgendwie wieder schlicht-rustikalen Möbel – Tischchen, Truhen – mit ihren glänzenden Oberflächen; die Vasen mit Blumen, die Kerzen in ihren Leuchtern, die unauffällig so platziert waren, dass man sie sofort greifen konnte, sollte einmal der Strom ausfallen … In der Eingangstür das Mosaik aus buntem Glas, das farbige Lichtflecke auf den Boden warf; das polierte goldene Holz des Treppengeländers und der Stufen in den ersten Stock hinauf, das Gemälde auf dem Absatz …
    Je länger ich hier saß und mich umschaute, umso mehr … war alles vertraut – und doch wieder fremd. Aber wirklich erinnern? Nein, das konnte ich mich nicht. Entschieden stand ich von der Klavierbank auf. Vielleicht kam meine Erinnerung ja zurück, wenn ich mich weiter im Haus umsah.
    Als ich heute Morgen auf der Suche nach einem Kaffee – und vielleicht sogar Frühstück – in die Küche gekommen war, war mir Cris begegnet. Er hatte sich immer wieder dafür entschuldigt, dass er mich mit ihm bei Fernán allein gelassen hatte, nicht da gewesen war, um mich während der Rückfahrt vor seinem Bruder zu beschützen. Ein unaufschiebbarer Termin hatte ihn dazu gezwungen. Dabei hatte ich seinen Schutz gar nicht gebraucht. Und er hatte mir angeboten, mir auch das Innere von Santa Reyada zu zeigen, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass sein Bruder mir erlaubt hatte, mich innerhalb des Hauses frei zu bewegen. Ich hatte abgelehnt. Vielleicht war ich ungerecht, aber ich hatte ihn nicht dabeihaben wollen. Was er nicht allzu gut aufgenommen hatte. Obwohl er versucht hatte, es vor
mir zu verbergen, als er sich an den Pool verzogen hatte. Allerdings wusste ich dank ihm, wo sein Zimmer lag. Und das seines Bruders. Weshalb ich genau diesen Korridor im ersten Stock bisher gemieden hatte. Mir stand nicht der Sinn danach, ihm zu begegnen. Joaquín. Seit gestern war der Name wie ein ständiges leises Flüstern in meinem Verstand. Meine Finger hatten sich wie von selbst wieder zu der spiegelnden schwarzen Oberfläche des Flügels gestohlen. Langsam zog ich sie zurück, sah zur Treppe. Wenn mich auch nichts und niemand jemals wieder in den Keller bringen würde … den Rest von Santa Reyada wollte ich mir nach wie vor ansehen.
    Die Bibliothek im Erdgeschoss ersparte ich mir vorerst. Mich hier umzusehen, sollte leichter sein, als durch den ersten und zweiten Stock zu streifen. Selbst wenn er im Haus war.
    Den ersten Stock mied ich dennoch aus bekanntem Grund. Es zog mich in den zweiten. Zurück zu den Porträts, in der vagen Hoffnung, dass eines der Gesichter meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen würde. Nur ein Mann auf einem der neueren Bilder kam mir ansatzweise bekannt vor. Vielleicht aber auch nur, weil seine Züge mich an Cris erinnerten. War das Estéban? Sein und Cris’ Vater? Möglich. Aber warum sah er ihm dann nicht ebenso ähnlich? Ein Porträt schien zu fehlen. Das der Sanguaíera dieses einen Hexers. Ich ging die Reihe zwei Mal ab, zählte die Gemälde. Ein Hexer und ›seine‹ Sanguaíera hingen jeweils dichter beieinander. Dieses war nicht da – obwohl es offenbar einen Platz neben dem von ›Estéban‹ gehabt hätte.
    Stattdessen entdeckte ich die Treppe, die in den dritten Stock hinaufführte. Und das, was sich an ihrem Ende befand.
    Der Raum war hell und luftig. Auf der einen Seite reichten
Fenster vom Boden bis zur Decke. Die Läden davor waren geschlossen. Ein einfacher Arbeitstisch aus Holz, der von Farbflecken gezeichnet war, stand an der Längsseite. Kästen mit Schubfächern darauf und darunter. Daneben lehnten … Bilder? Ich sah genauer hin. Tatsächlich. Auch an der Schmalseite gegenüber den Fenstern. In der Mitte des Raumes war anscheinend ein weiteres mit einem Laken oder Ähnlichem verhängt. Zögernd überwand ich die letzte Stufe, tastete mit der Hand über die Wand daneben, auf der Suche nach einem Lichtschalter. Ich fand keinen. Unsicher warf

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