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Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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damit den Osterbacher-Chef verkünden. Alle Blicke richteten sich auf Sonndobler, und ihm stieg die Hitze unter den eng geknöpften Vatermörderkragen des Smokinghemdes.
    Doch der Chef des größten europäischen Automobilkonzerns hatte offenbar von der Protokollabteilung den Auftrag erhalten, die Spannung ins Unerträgliche zu steigern. Er verlas das Programm der nächsten beiden Tage. »Morgen früh trifft sich der Harte Kern zu einer Klausursitzung. Diese ist mittags beendet. Währenddessen finden die Sessions ›Wasserrechte‹ und ›Emissionsrechte‹ statt. Am Nachmittag wird der neu bestimmte Harte Kern die Vollversammlung über die Strategien der kommenden Jahre informieren. Am Montag werden diese in Break-out-Sessions mit den entsprechenden Industrie- und Regierungsvertretern vertieft. Am Montagabend ist dann ab siebzehn Uhr Abreise. Der Flughafen Innsbruck ist ab achtzehn Uhr für einen Slot von zwei Stunden für alle anderen Flugreisenden gesperrt, damit Sie unbehelligt in Ihre Maschinen steigen können. In München werden Ihre Flüge mit Priorität eins abgefertigt. So viel zu den technischen Abläufen.« Der untersetzte und stark auf der Halbglatze schwitzende Mann machte eine Pause, und es wurde so still im Konferenzraum, dass man eine Fichtennadel hätte fallen hören können. »Der wichtigste Tagesordnungspunkt unseres diesjährigen Treffens …« Wieder folgte eine Pause, in der Sonndoblers Herz von innen gegen seine Trommelfelle zu schlagen schien. »… wird die Bekanntgabe des neuen Vorsitzenden des Leitungsausschusses und somit des Präsidenten der Osterbacher-Vereinigung sein. Sie erfolgt unmittelbar nach dem Dessert.«
    Daraufhin konnten es die Teilnehmer kaum noch erwarten, bis man Tiramisu oder Feigen in Zimteis auftischte. Manche verzichteten ganz auf die Süßspeisen, sei es aus Kalorienbewusstsein oder um den Abend zu beschleunigen. Nur die Abgebrühtesten wagten es, den Ablauf dadurch zu verzögern, dass sie anstelle der Leckereien aus der Patisserie den Käsewagen an ihren Tisch kommen ließen.
    Sonndoblers Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Er ließ zwar die Feigen vor sich hinstellen, rührte sie aber nicht an. Niemand an seinem Tisch wagte noch, ihn mit Smalltalk zu behelligen. Sie alle wussten, was in ihm vorgehen musste. Sie führten seine Anspannung auf den Ehrgeiz zurück, der ihm zugeschrieben wurde. Würde er in wenigen Minuten jenen Posten überantwortet bekommen, den insgeheim beinahe jeder im Raum gern gehabt hätte?
    In Wahrheit jedoch, das konnte niemand wissen, ging es Sonndobler nicht um die Position des vermeintlichen Herrschers der Welt. Nur ganz wenige Menschen im Raum konnten sich vorstellen, dass das Schicksal von Hunderttausenden, ja, Millionen von Menschen davon abhing, dass Sonndobler auserkoren wurde, dass er an die Position gelange, von der es ihm möglich wäre, den Wahnsinn, den Lex Kayser angefangen hatte, in letzter Sekunde zu stoppen. Natürlich hatte ihm Peter Staiger beim Golfen vor zwei Wochen keine Chance gelassen. Er hatte ihm nicht verraten, wo genau die Ratten- und Mäusesendungen derzeit darauf warteten, an Schulen und Gemeindezentren in Afrika versendet zu werden. Er hatte nur orakelt, dass von jenem Land aus schon immer die Schiffe nach Afrika aufgebrochen waren. »Damals waren es Sklavenschiffe, heute sind es Rattenschiffe – kein großer Unterschied«, hatte der bekennende Rassist hämisch gegrient.
    Sonndobler wusste nun wenigstens, dass England der Ausgangspunkt seiner weiteren Recherchen sein musste. Nur hatte er seit seiner Rückkehr aus New York noch nicht in Erfahrung bringen können, welches Logistikzentrum so einen Auftrag erledigen konnte. Er gab einfach zu viele auf der Insel. Und nun fragte er sich, ob er nach seiner Ausrufung zu Lex Kaysers Nachfolger genug Zeit haben würde, sich der Sache anzunehmen. Und eine bohrende Stimme in ihm fragte, ob er überhaupt eingreifen sollte. Ob Kaysers Entscheidung, die offenbar von den wichtigsten Männern der Osterbacher geteilt wurde, nicht die einzig richtige war. Dass es einfach zu viele Menschen auf der Welt gab. Und dass daher einige – nein, viele – einfach wegmussten.
    Diese Gedanken schossen wie eine Flipperkugel durch seinen Kopf, als er den Schokoladenfäden auf seinem Dessertteller dabei zusah, wie sie in der aufgeheizten Luft des Saales langsam schmolzen. Ganz so, als wäre er ein kleiner Junge, der sich von seinen Tagträumereien in eine andere Welt entführen ließ,

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