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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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McAllister stieg aus und blickte an dem achtstöckigen Gebäude hoch. Es wirkte fast noch schäbiger als bei seinem letzten Besuch und erinnerte ihn an einen überdimensionalen Heizkörper. Er betete, dass die Stromversorgung heute stabil sein würde, denn er verspürte nicht die geringste Lust, die sieben Stockwerke zum Interpol-Büro zu Fuß zurückzulegen. Die Tür des Aufzugs öffnete sich schwerfällig unter lautem Knirschen. Für einen kurzen Augenblick erwog McAllister, doch die Stufen zu nehmen. Die Tatsache, dass sein Hemd schon ohne körperliche Anstrengung an seinem Rücken klebte, hielt ihn davon ab.
    Bis zu seinem ersten Meeting mit dem Büroleiter Christopher Sikibi hatte er noch eine halbe Stunde Zeit. Er freute sich darauf, denn Chris war ein Mann ganz nach seinem Geschmack. Ein genialer Stratege, ein kluger Diplomat, der neben Französisch und Englisch auch fließend Arabisch und Spanisch sprach und zudem mit einem beeindruckenden Netzwerk ausgestattet war. Genau das, was er brauchte für das Oasis-Programm und sein Projekt im Kongo. Sikibi und sein Büro waren für die Betreuung von vierundzwanzig afrikanischen Staaten zuständig. McAllister hatte sich immer gefragt, wie Chris und sein kleines Team dieses enorme Pensum schaffen konnten. Ein Grund, warum sie in den nächsten Tagen unter anderem die Eröffnung weiterer Sub-Regional-Büros diskutieren wollten. Die erste dieser Niederlassungen würde schon in wenigen Monaten in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns, eröffnen. Diese Zweigstelle wäre dann künftig für die Demokratische Republik Kongo zuständig. Aber McAllister hielt sich lieber an Chris. Für das, was vor ihm lag, würde er die ganze Erfahrung des alten Hasen brauchen. Als er die Tür zum Interpol-Büro öffnete, schlug ihm eisige Kälte und der muffige Geruch von Klimaanlagen im Dauerbetrieb entgegen. »Ian, schön, dass es dich endlich einmal wieder zu uns verschlägt!«
    Chris war aus seinem Büro am Ende des Korridors getreten und kam auf ihn zu.
    »Hallo Chris! Schön, wieder hier zu sein.«
    »Ihr Engländer seid immer so freundlich. Ich wette, du kannst dir bessere Reiseziele als die Elfenbeinküste vorstellen. Ist dein Hotel okay?«
    »Alles wunderbar.«
    »Schön! Ich muss noch ein Telefonat machen, dann können wir loslegen. Geh doch schon mal nach nebenan und bediene dich.«
    Sikibi klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    McAllister betrat das winzige Zimmer, das von sechs braunen Stühlen und einem altersschwachen Tisch dominiert wurde. Säfte und Wasser standen bereit, daneben ein Teller mit frischen Melonen- und Papaya-Stücken. Typisch Chris, dachte McAllister und schmunzelte. Er hat nicht vergessen, dass ich das Zeug bei meinem letzten Besuch in großen Mengen verdrückt habe.
     
    Das La Croisette war bis auf den letzten Tisch ausgebucht.
    Als McAllister das geschäftige Treiben beobachtete, war er froh, dass seine Assistentin frühzeitig reserviert hatte. Mit seiner exzellenten französisch-afrikanischen Küche war das Restaurant mittlerweile ein beliebter Treffpunkt für die gehobene Gesellschaft Abidjans und Geschäftsleute aus aller Welt geworden. Zwei Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges erblühte die Hauptstadt der Elfenbeinküste zu neuem Leben.
    Eine hochgewachsene Frau mit auffallend feinen Gesichtszügen begleitete sie zu ihrem Tisch am Fenster. McAllister setzte sich und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Bei der Ausstattung hatten sich die Besitzer von Pariser Art-déco-Bistros inspirieren lassen – Holzstühle, kleine Tische, viele Spiegel und elegant geschwungene Lampen, die warmes Licht verströmten.
    »Machen wir’s wie immer?«, unterbrach Chris gutgelaunt seine eingehende Betrachtung.
    »Klar. Du wählst die Speisen und ich den Wein.«
    Das Abendessen mit Chris war ein fester Bestandteil seiner Abidjan-Besuche geworden. Die beiden Männer genossen es, sich abseits der Bürohektik in aller Ruhe unterhalten zu können. Sikibi nahm einen Schluck vom Pinot Noir und schloss genießerisch die Augen.
    »Gute Wahl, Ian. Sag, was macht meine Nummer 11?«
    McAllister lachte auf.
    »Der hat letztes Wochenende ein unglaubliches Tor gegen Aston Villa geschossen. Eine Granate ins lange Eck. Da gab es nichts mehr zu halten. Aber das wird uns alles nicht helfen, der Titel geht vermutlich trotzdem an Manchester United.«
    »Ich weiß, ich habe es im Internet verfolgt. Tut mir wirklich sehr leid. Chelsea hätte es verdient.«
    McAllister wusste, dass

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