Blutfehde
Zwischenzeit könnten Sie wenigstens herausfinden, wer dieser Kerl ist, dessen Name hier geschrieben steht. Man weiß ja nie, vielleicht könnte er Ihnen nützlich sein.« Artie steckte die Karte ein und ging zur Tür. »Ihr Fall braucht wirklich jede Hilfe, die er kriegen kann.«
11
Ich parkte um Viertel vor vier an der Ecke Eleventh Avenue und 30. Straße und ging in östlicher Richtung zu dem mit Stacheldraht gesicherten Eingang der Baustelle. Ich hatte Mike auf dem Handy angerufen, und er wartete am Tor auf mich.
»Ich fass es nicht, dass du Lern von diesem Lawrence Pritchard erzählt hast, ohne dich vorher zu erkundigen, wer der Typ ist.«
»Das nennt man Moral, Mike. Sollte sich herausstellen, dass es etwas mit unserem Fall zu tun hat, wird Lern wahrscheinlich wegen eines Verfahrensfehlers eine Neuauflage des Prozesses beantragen. Und der wird beim zweiten Mal nicht besser.«
»Er will dich ködern. Das ist alles.«
»Was meinst du damit?«
»Lern Howell soll versehentlich ein Stück Papier verloren haben? Bei dem Kerl sitzt jede Schmalzlocke an der richtigen Stelle, und da soll er mit einem Anhaltspunkt oder mit dem Namen eines potenziellen Verdächtigen so nachlässig umgehen? Das ist nicht sein Stil, Coop. Das weißt du genauso gut wie ich. Du weißt, dass er dich durch diese Visitenkarte irreführen wollte. Was hat er dir gesagt?«
»Er war sehr liebenswürdig und meinte, es hätte nichts mit dem Prozess zu tun. Er bedankte sich für den Anruf und sagte, ich könnte es nächste Woche, wenn der Prozess wiederaufgenommen wird, zu Protokoll geben.«
»Der alte Schleimer«, sagte Mike und ging über die Baustelle.
»Ich hab Lawrence Pritchard gegoogelt.« Ich stapfte über riesige Bauteile und drückte mich zwischen zwei großen Kränen hindurch, um mit Mike Schritt zu halten. Auf der Baustelle herrschte ein geschäftiges Treiben. Die Tunnelarbeiter trugen ihre Arbeitsklamotten und die Detectives T-Shirts, nur die Beamten diverser städtischer Behörden standen im Anzug herum und gaben ihren Senf dazu. Ich hatte nicht mehr so viel Zigarettenrauch an einem Ort gerochen, seit ich das erste Mal um Mitternacht eine Mordkommission besucht hatte.
Keiner schien erfreut zu sein, mich am Tatort zu sehen, aber das war keine neue Erfahrung für mich.
»Was hast du herausgefunden«, rief mir Mike über die Schulter zu.
»Er war mal Chefingenieur bei diesem Projekt. Wurde vor zwei Jahren gefeuert. Ist dir sein Name schon untergekommen?«
»Pass auf, wo du hintrittst. Hier drüben, wo die Feuerwehr gestern Nacht alles abgespritzt hat, ist es ganz schön glatt.« Er blieb stehen und streckte mir die Hand entgegen. »Nie von ihm gehört.«
»Es gibt ein paar Artikel über ihn. Max besorgt sie mir gerade. Offenbar war er in Schmiergeldaffären verwickelt. Er steckte über hunderttausend Dollar in die eigene Tasche, akzeptierte gern teure Geschenke, machte mehrere Casinoausflüge und Scheindienstreisen.«
»Und Quillian kennt ihn?« Mike stand auf der untersten Stufe eines staubigen, extrabreiten Trailers, der anscheinend als Baustellenzentrale fungierte. Er ging die vier Stufen hinauf und hielt mir die mit einem schwarzen Vorhang verhängte Tür auf. »Willkommen im Sandkasten. Im Ernst, so nennen sie es.«
»Danke.« Ich blieb auf der Schwelle stehen. »Wir suchen eine Verbindung zwischen Duke Quillian und Pritchard.
Die zu finden, ist deine Aufgabe, okay? Offensichtlich wollte Brendan Lern Howell aus irgendeinem Grund auf Pritchards Spur bringen. Lern sagte, es hätte nichts mit meinem Mordfall zu tun, aber er muss wissen, dass es da eine Verbindung zu Dukes Tod gibt.«
»Wir werden von einem hohen Tier vom Umweltamt erwartet. Dem Amt untersteht das ganze Tunnelprojekt und auch sonst alles, was mit der New Yorker Wasserversorgung zu tun hat. Er ist hier, um unsere Fragen zu beantworten. Wir können ihn ja später fragen, ob er was über Pritchard weiß.«
In dem langen Raum standen haufenweise Klappstühle und einige Tische, auf denen sich Stöße von Unterlagen, kleine Werkzeuge, Lunchboxes und Aschenbecher befanden. An den Wandhaken hingen fleckige gelbe Regenjacken und Schutzausrüstungen. Am Eingang saßen mehrere Arbeiter vor einer Reihe Telefone, sichtlich erschöpft von der langen Nachtwache um ihre vermissten Kollegen. Andere verfolgten gebannt die Nachrichten vor einem Fernseher, der in der Ecke stand. Die meisten glotzten mich an, als ich an ihnen vorbeiging, ohne mich zu
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