Blutgold
anrief, waren Leon und seine
drei Mitangeklagten bereits unterwegs, um dem Richter vorgeführt zu werden.
So rasch
ich konnte, tauschte ich meine farbverschmierte Kleidung gegen frische, aber
als wir in Omagh ankamen, war das Eligius-Quartett, wie man sie getauft hatte,
bereits dem Richter vorgeführt worden. Der Anwalt, der sie vertrat, sprach kurz
mit Fearghal und erklärte ihm, was bei dem Gerichtstermin geschehen war. Er
nannte ihm die Namen der vier Angeklagten, doch der einzige, den ich außer Leon
kannte, war besagter Seamus Curran – er war einige Jahre zuvor im Rahmen eines
Justizirrtums in der Presse gewesen. In den 1970er-Jahren hatte Curran zu einer
Reihe von Männern gehört, die mit dem Vorwurf des Terrorismus in England
verhaftet worden waren. Man hatte ihnen eine Rechtsvertretung verweigert und
Geständnisse aus ihnen herausgeprügelt. Vor einigen Jahren war Currans
Verurteilung aufgehoben worden, verbunden mit einer nicht spezifizierten
Entschädigung und einer Entschuldigung seitens des Home Office. Ob er vor
seiner Inhaftierung vor dreißig Jahren bereits politisch engagiert gewesen war
oder nicht, war unklar, doch die Haft hatte ihn definitiv politisiert, und in
den örtlichen Zeitungen waren häufig Fotos von ihm zu sehen, wie er
Demonstrationen gegen die eine oder andere Sache anführte, ohne einer
bestimmten Gruppierung anzugehören.
Die Anhörung war offenbar rasch und ereignislos verlaufen. Ein Beamter
des PSNI , der sich dem Gericht als
Inspektor Sweeney vorgestellt hatte, hatte die Fakten des Falls umrissen und
erklärt, er könne die vier Angeklagten mit dem Einbruch in Verbindung bringen.
Leon Bradley sagte kaum etwas, sondern gab nur seinen Namen und sein
Alter zu Protokoll. Der Richter setzte die Kaution auf jeweils zweitausend
Pfund pro Person fest. Am 28. sollten sie wieder vor Gericht erscheinen.
Sweeney seinerseits warnte davor, dass bei Bradley nach dem Vorfall im Donegal
ein Fluchtrisiko bestehen könne, und schlug vor, ihn nicht gegen Kaution
freizulassen. Der Richter setzte stattdessen bloß die Kaution für ihn auf
fünftausend Pfund hoch, verbunden mit der Auflage, er müsse sich bis zur
Verhandlung täglich auf der Polizeiwache in Omagh melden.
Fearghal
beschaffte die Kaution, so schnell er konnte, und später am Vormittag holten
wir Leon auf der Wache an der Gortin Road ab. Fearghal bat darum, unter vier
Augen mit Leon sprechen zu dürfen, ehe man ihn freiließ, und ich schätzte, dass
er ihn auf meine Anwesenheit vorbereiten wollte.
Während ich
im Eingangsbereich der Wache wartete, blätterte ich die Lokalzeitung, den Tyrone Herald , durch und fand zu meiner
Überraschung einen Artikel über Ted Coyle, den Goldschürfer vom Carrowcreel. Er
behauptete, er sei an seinem Lagerplatz am Fluss überfallen worden und habe mit
gebrochenen Rippen und einem gebrochenen Knöchel ins Krankenhaus gemusst. Die
Gardai glaubten, es habe sich um einen Raubüberfall gehandelt, möglicherweise
habe es jemand auf sein Goldnugget abgesehen. Superintendent Harry Patterson
rief die Menschen auf, sich von dem Lager fernzuhalten, und wies darauf hin,
dass in der ganzen Zeit, die die Goldschürfer nun schon im Fluss nach Gold
suchten, nur Coyle etwas gefunden habe, was der Rede wert sei. Zudem hätten die
vermehrten menschlichen Aktivitäten am Fluss auch bereits negative Auswirkungen
auf die dortige Tierwelt und ermöglichten überdies die Art von Gesetzlosigkeit,
die zu dem Überfall auf Ted Coyle geführt habe.
Als Leon aus der Zelle geführt wurde, lächelte er mir verlegen zu.
Seine Haare waren noch zerzauster als bei unserer letzten Begegnung, und seine
Kleidung roch sowohl nach Zigaretten- als auch nach Holzfeuerrauch. Mir fiel
auf, dass er um die Augen herum dünn Eyeliner aufgetragen hatte, und dies im
Verein mit seinem schmalen Körperbau, seiner blassen Haut und den ausgeprägten
Wangenknochen verlieh ihm ein vage feminines Aussehen – ein deutlicher Kontrast
zu der bärenhaften Erscheinung und frischen Gesichtsfarbe seines älteren
Bruders.
»Ben«, sagte er und hob den Kopf.
»Leon«, erwiderte ich, faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf
den Sitz, auf dem ich sie gefunden hatte.
»Okay«, sagte Fearghal und rieb sich die Hände. »Besorgen wir uns was
zu essen, was, Männer?«
Wir
gingen in ein Café am Rand von Omagh. Während Fearghal und ich ein warmes
Frühstück zu uns nahmen, begnügte Leon sich mit Kaffee und einer selbst gedrehten
Zigarette, obwohl er seit
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