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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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der nun die Nachtwache übernahm, zu und verließ das Gebäude.
    Die grauen Regenwolken, die den Tag trist und grau hatten erscheinen lassen, waren weitergezogen. Es duftete nach Frühling, und Hans Hermanns verharrte trotz des Lärms einen Moment und atmete tief durch. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis es länger hell blieb und die Tage wärmer wurden.
    Eigentlich war es eine ruhige Schicht ohne besondere Vorkommnisse gewesen, und nun freute er sich auf den wohlverdienten Feierabend. Tagsüber empfing er die Besucher im Verwaltungstrakt der Sparkasse, meldete sie bei ihren Gesprächspartnern an und steuerte den modernen Aufzug, der die Mitarbeiter und ihre Geschäftsfreunde in Windeseile in eine der insgesamt neunzehn Etagen brachte.
    Vom kleinen Sachbearbeiter bis hinauf zum Sparkassendirektor kannte er jeden der Kollegen mit Namen, das gehörte zu seinem Job.
    Noch drei Monate, dann konnte er in den Vorruhestand gehen und endlich mit dem Wohnmobil die Welt erkunden. Er freute sich auf die gemeinsame Zeit, die er mit seiner Frau Heidi an den Flecken der Welt verbringen konnte, von denen sie im Berufsleben nur geträumt hatten. Die Hermanns hatten noch viel vor im Leben.
    Doch nun, wo seine Tage im Berufsleben gezählt waren, überkam Hans Hermanns ein wenig Wehmut, als er auf die Straße am Islandufer trat und sich zu dem gläsernen Vorbau am Fuße des Sparkassenturmes umblickte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite senkte sich das steile Ufer herab zur Wupper. Eine Schwebebahn zog in der zweiten Ebene vorüber.
    Der Baulärm riss Hermanns aus seiner Melancholie. Er wandte den Kopf und erkannte zwischen dem Sockel des Turmes und der Einfahrt des Parkhauses eine Baustelle.
    Seltsam, dachte er, die war doch heute Mittag, in seiner Pause, noch nicht da gewesen. Drei Männer waren es, die mit Presslufthämmern arbeiteten und einen ohrenbetäubenden Lärm verursachten. Sie trugen Ohrenschützer und schienen unter Zeitdruck zu arbeiten. Dem Lastwagen nach zu urteilen, der am Rand der Baustelle parkte, handelte es sich um ein auswärtiges Bauunternehmen.
    Hermanns stutzte. Er überlegte, zurückzugehen und sich bei einem der Vorgesetzten zu erkundigen, ob die Bauarbeiten am Sparkassengebäude mit rechten Dingen zugingen. Doch dann warf er einen Blick auf die Uhr und war sich ziemlich sicher, niemanden mehr in der Chefetage anzutreffen. Vermutlich handelte es sich um einen Notfall, der die Bauarbeiten um diese Zeit nötig machte.
    Mit einem Schulterzucken betrat Hans Hermanns den Bismarcksteg. Die kleine Fußgängerbrücke überspannte die Wupper bogenförmig und verband das Islandufer mit der Schlossbleiche am gegenüberliegenden Flussufer. Einmal mehr erfreute sich Hermanns an den verspielten schmiedeeisernen Torbögen im Jugendstil. Erst vor einiger Zeit hatte man die historische Brücke saniert und mit einem frischen dunkelgrünen Anstrich versehen. Er fragte sich, ob das Bauwerk inzwischen als Baudenkmal eingestuft worden war. Hermanns erinnerte sich daran, vor einiger Zeit einen Artikel in der WZ darüber gelesen zu haben.
    Auf dem höchsten Punkt der Brücke blieb er noch einmal stehen und blickte sich zu der seltsamen Baustelle am Sparkassenturm um. Dabei fiel ihm auf, dass einer der Arbeiter seine Tätigkeit unterbrochen hatte und ihm neugierig nachblickte. Der Bauarbeiter schaute genau in seine Richtung. Obwohl der Mann einen Helm, Ohrenschützer und eine Sicherheitsbrille trug, kam er Hermanns irgendwie vertraut vor. Der pflichtbewusste Portier Überlegte, woher er den Mann kannte, kam aber nicht darauf. Wahrscheinlich, so resümierte er, lag das daran, dass er einfach zu viele Gesichter am Tag sah und ihm sein Gedächtnis ab und an einen Streich spielte.
    Eigentlich hatte Hermanns ein gutes Gedächtnis, was Gesichter und die dazugehörigen Namen anging - das setzte allein schon der Beruf voraus. Doch es wollte ihm nicht einfallen, wo er den Mann schon einmal gesehen hatte. Bevor sich Hans Hermanns weiter Gedanken darüber machen konnte, nahm der Fremde seine Arbeit wieder auf. Das schreckliche Geräusch des Presslufthammers malträtierte trotz der Distanz Hermanns' Ohren, und er machte, dass er weiterkam. Sicherlich würde er morgen erfahren, warum man in den Abendstunden die Straße aufriss.
    Paradeberg, 18.50 Uhr
    Ulbrichts Laune war auf dem Tiefpunkt angelangt, als er endlich einen freien Parkplatz gefunden hatte, der fußläufig von dem Haus entfernt lag, in dem sich die Wohnung von Nils Gertz

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