Blutgrab
befand. Maja betrachtete ihn schweigend von der Seite.
Still marschierten sie den steilen Berg hinunter und standen zum zweiten Mal an diesem Tag vor dem heruntergekommenen Hauseingang.
»Auf ein Neues«, brummte Ulbricht und legte den Finger auf den Klingelknopf. Vergeblich, denn das erwartete Summen des Türöffners blieb aus. Ulbricht klingelte noch dreimal. Plötzlich öffnete sich die Haustür von innen und eine alte rundliche Frau mit Kopftuch und dunkler Hautfarbe trat ins Freie. Sie blickte den Beamten feindselig entgegen, hielt aber dennoch die Haustüre auf, sodass Ulbricht und Maja eintreten konnten.
»Du nix Einbrecher«, stellte die Alte mit zusammengekniffenen Augenbrauen fest.
»Natürlich nicht.« Maja lächelte höflich. »Ganz im Gegenteil. Wir sind von der Polizei.«
»Polizei?« Die Augen der Frau weiteten sich. »Ach du Scheiße, was hab ich da reingelassen?«
»Es ist alles in Ordnung«, beruhigte Maja sie schnell. »Nichts passiert.«
»Sie lügen.«
»Natürlich nicht.« Kopfschütteln, dann drängte sich Maja an Ulbricht und der alten Frau vorbei und erklomm die Stufen. Ulbricht folgte ihr mit einem schweren Schnaufen. Hinter ihnen fiel unter einem türkisch klingenden Schimpfen die Haustür ins Schloss, dann kehrte Ruhe im Flur ein.
Treppensteigen gehörte offensichtlich nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Maja musste daran denken, wie es wäre, wenn er tatsächlich zu ihr ins Weserbergland zog. Ob sie ihn dann dazu überreden konnte, mit ihr einige Runden um den Klütberg zu joggen?
Etwas Bewegung würde ihm sicher guttun.
Sie kam als Erste an der Tür der Dachgeschosswohnung an und trommelte gegen die Tür.
»Herr Gertz? Bitte öffnen Sie die Tür, Polizei!«, rief sie, nachdem sie in die Wohnung gelauscht und nichts gehört hatte. Entweder war Gertz zu Hause und verhielt sich mucksmäuschenstill, oder er war tatsächlich nicht da.
»Der hat Erfahrung mit Abwesenheitsvortäuschung«, brummte Ulbricht und polterte gegen die Tür. »Aufmachen, sonst trete ich die Türe ein!«
Maja konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Ulbricht war völlig außer Atem und keuchte wie eine alte Dampflok. »Ich wage das zu bezweifeln«, flüsterte sie leise.
»Der ist da«, brummte Ulbricht, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. »Hat wohl Ahnung vom Verpissen. Macht er wahrscheinlich täglich, wenn der Gerichtsvollzieher auf der Matte steht.«
»Aja.« Maja nickte. »Aber diesmal ist es ernst.« Sie legte ein Ohr an das Türblatt und versuchte, in das Innere der Wohnung zu lauschen. Drinnen herrschte tatsächlich absolute Stille. Kein verräterisches Dielenknarren von Schritten, kein schabendes Geräusch, kein Atmen, nichts.
»Der ist weg«, flüsterte sie über die Schulter.
»Du musst ja verdammt gute Ohren haben«, murmelte Ulbricht.
»Und ob.« Maja grinste. »Er ist nicht da.« Sie sprach lauter. »Was machen wir denn jetzt bloß?«
»Ich werd eine Fahndung rausgeben«, rief Ulbricht so laut, dass es Gertz, wenn er sich entgegen Majas Vermutung in seiner Wohnung verschanzte, auch hören konnte. »Oder wir kommen mit einem Sondereinsatzkommando zurück und norden ihm die Bude ein.«
Maja schmunzelte. Im Bangemachen war Norbert einfach Weltklasse. Erneut presste sie das Ohr gegen die Tür. Doch auch diesmal vernahm sie kein Geräusch.
»Er bekommt keine Panik da drinnen, weil er einfach nicht da ist«, sagte sie an Ulbricht gewandt.
»Verdammt, und jetzt?«
»Vielleicht fahren wir zu Carolin Mertens und schauen nach, ob die beiden inzwischen Versöhnung gefeiert haben.«
Ulbricht blickte bezeichnend auf die Armbanduhr und seufzte theatralisch. »Jetzt fahren wir solchen Typen schon hinterher.«
»Welche Wahl haben wir denn?«, konterte Maja.
Ulbricht, der schon wieder am Treppenabsatz angekommen war, wandte sich zu ihr um. »Musst du eigentlich immer das letzte Wort haben?«
Wuppertal-Elberfeld, Schusterstraße, 19.15 Uhr
»Sie schon wieder?«
Ulbricht und Maja bemerkten auf den ersten Blick, dass Carolin Mertens betrunken war. Die Zunge war schwer, ihre Augen wirkten glasig.
Eigentlich kein Wunder, nach so einem Tag, dachte Ulbricht und fackelte nicht lange. Er drängte sich an der Verkäuferin vorbei und stand im dunklen Flur. »Ist er da?«, rief er über die Schulter und war mit weit ausladenden Schritten im Wohnzimmer. Carolin Mertens hatte das Chaos, das der Einbruch hinterlassen hatte, notdürftig beseitigt. Aus den Lautsprechern der Hi-Fi-Anlage ertönte
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